- Berlin
- DDR-Kulturgut
»Meisterwerk« Berliner Architektur: Fachwelt will SEZ erhalten
Expert*innen protestieren gegen den Plan des Senats, das ehemalige Sport- und Erholungszentrum in Friedrichshain abzureißen
Für Theresa Keilhacker, Präsidentin der Architektenkammer Berlin, ist die Sache klar: »Abrisse dieser Art sind nicht nur gegen den Zeitgeist von Ressourcenschonung und Reparaturfähigkeit, sondern gefährden auch das Stadtbild und die Baukultur sowie unsere kulturelle Identität.« Statt wertvolle Bausubstanzen wirklich zu schützen, belasse es Berlins Senat bei Lippenbekenntnissen.
Die Beispiele, auf die sich die Architektenkammern sowohl Berlins als auch Brandenburgs berufen, sind bekannt. Ob Generalshotel am Flughafen, der historische Verwaltungsbau An der Urania 4–10 oder eben auch das Sport- und Erholungszentrum in Friedrichshain (SEZ): Die Antwort lautet Abriss.
»Immer öfter scheinen weder bau- und soziokulturelle noch ökologische Aspekte bei Bauvorhaben eine entscheidende Rolle zu spielen«, heißt es in einer Mitteilung der Architektenkammern am Donnerstag. Abrissentscheidungen würden dabei meist nur vordergründig wirtschaftlich getroffen. Langfristige Kosten blieben unberücksichtigt.
nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.
Ein offener Brief, ebenfalls vom Donnerstag, stellt den kulturellen Wert des SEZ ins Zentrum seiner Kritik am Abriss. Berliner Expert*innen für Architektur, unter anderem von der Technischen Universität, erkennen im ehemaligen Freizeitzentrum ein »Meisterwerk der berlinspezifischen Organischen Architektur und des weltweit wiederentdeckten sogenannten Brutalismus«. Es handele sich, entsprechend dem Berliner Denkmalschutzgesetz sowie nach einhelligem Urteil der Fachwelt, zweifellos um ein Gebäudeensemble mit dem Status eines Denkmals.
»Wir appellieren an Sie als Verantwortliche, den beiden mittlerweile von mehreren tausend Personen unterzeichneten Petitionen zu folgen«, lautet die Bitte unter anderem in Richtung des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner und Finanzsenators Stefan Evers (beide CDU). Der Senat müsse nach »Wegen der Bewahrung, Sanierung, nachhaltigen Ertüchtigung und behutsamen baulichen Ergänzung« des SEZ suchen.
Erst am Mittwoch hatte die Stadtentwicklungsverwaltung ihre Pläne für das SEZ konkretisiert. Es soll ein Anteil von 50 Prozent öffentlich geförderter Wohnungen gewährleistet werden. Laut Senat lassen sich insgesamt 500 Wohnungen im Rahmen des Bebauungsplans auf dem SEZ-Gelände realisieren. Neben dem geplanten Schulbau seien außerdem Flächen für Gewerbe, Einzelhandel, aber auch Sport- und Freizeitnutzung vorgesehen. Letztere könnten außerhalb der Schulzeiten von Vereinen genutzt werden.
»Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in zentraler Lage ist mir ein wichtiges Anliegen«, wird Bausenator Christian Gaebler zitiert. Der SPD-Politiker freut sich über nahegelegene Grünanlagen und Einkaufsmöglichkeiten. Auch die bereits vorhandene Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr sorge für ein Projekt, das »nachhaltig und klimaschonend« ein neues Zuhause für zahlreiche Menschen entstehen lasse.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!