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»Rusalka« im Berliner Mietshaus und Dvořák in der Badewanne
Wie zeitgenössisches Theater mit einer »falschen« Tonspur: Mundruczós’ »Rusalka« an der Berliner Staatsoper
Musikalisch ist von einem fast rundum beglückenden Abend zu berichten. Dem Staatsoper-Debütanten Robin Ticciati am Pult gelingt es, die Partitur von Antonín Dvořáks Märchenoper »Rusalka« in vielen Farben zum Schillern zu bringen, und neben Christiane Karg in der Titelrolle steht auch ein hochkarätiges Sängerensemble auf der Bühne. Allein, die von Dvořák gezeichnete Wasserwelt, der Gegensatz zwischen Natur und Kultur, zwischen Menschen und Fabelwesen – er findet auf der Staatsopernbühne nicht statt.
Der ungarische Regisseur Kornél Mundruczós ist auf die einigermaßen willkürliche Idee verfallen, mit beträchtlichem Aufwand ein Berliner Mietshaus nachbauen lassen. Schon während der Ouvertüre hampeln die Elfen in der WG-Küche herum, während Rusalka sich nebenan in der Badewanne räkelt. Der Prinz wohnt im Penthouse mit Blick auf den Fernsehturm und hat ein hässliches Bild im Norbert-Bisky-Stil, das drei Jungs in Badehosen zeigt, an der Wand hängen.
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Es ist ein nicht auflösbares Dilemma: Anders als die Kollegen vom Sprechtheater wagen es die Musiktheater-Regisseure nicht oder wären auch gar nicht dazu in der Lage, die Opern aus dem klassischen Repertoire zu bearbeiten und zu verhackstücken, um sie so für ihre Inszenierungsideen passend zu machen. Was dann regelmäßig dabei herauskommt, ist so etwas wie zeitgenössisches Theater mit einer »falschen« Tonspur. Das gilt auch für Mundruczós’ »Rusalka« an der Berliner Staatsoper. Dass sich das Haus Dvořáks spätem Opernerfolg, dem 1901 uraufgeführten Werk, das den Status einer tschechischen Nationaloper hat, annimmt, ist zunächst einmal uneingeschränkt zu begrüßen. Denn dem Haus Unter den Linden stehen nach der viel zu langen Barenboim-Ära mit seinem künftigen Chef Christian Thielemann weitere Jahre dunkler Wagnerei bevor. Und wenn die famose Christiane Karg in der Titelrolle mit ihrem flackernden Sopran vielleicht auch nicht die ideale Besetzung für die Nixe ist, sind doch alle Rollen sehr gut bis stark besetzt: Anna Kissjudit überzeugt als Hexe Ježibaba, Pavel Černoch als Prinz, Anna Samuil als fremde Fürstin und Mika Kares gibt mit seiner durchdringenden Bassstimme den Wassermann. Dafür, dass Mundruczós ihn als »Alt-68er« begreift, kann er nichts.
Der Regisseur, der in einem im Programmheft abgedruckten Interview von der einzigartigen sozialen Durchmischung in Berliner Mietshäusern schwärmt, scheint selbst nicht auf seine Idee zu vertrauen, den Gegensatz zwischen dem Wasserwesen und dem Menschen, diese unmögliche Liebe, zum Klassengegensatz umzudeuten. Im dritten Akt wird es dann auch noch kafkaesk. Die Verwandlung der Nixe zum Menschen, die mit ihrem Verstummen erkauft ist – im Musiktheater ein herrlicher dramaturgischer Kniff! – erinnert ihn an Gregor Samsa. Warum auch nicht, es handelt sich doch um ein Stück aus Prag. Die arme Christiane Karg muss deshalb im Keller als Wurm herumkriechen, wenn der Prinz, der mit der verstummten Geliebten nicht zurechtgekommen war, weshalb ihre heftige Liebe schnell im Eklat geendet ist, am Ende reumütig zu ihr zurückkehrt und eine Art Liebestod stirbt. Mundruczós spricht davon, dass er es unschlüssig fände, wenn Rusalka, die in der Oper als »Irrlicht« endet, sich nicht abermals auch sichtbar verwandeln würde. »Alle Opfer sind sinnlos« lautet die Einsicht am Schluss.
Die Geschichte von Rusalka, die sich in den Prinzen verliebt, den es immer wieder an ihr Gewässer zieht, und dafür – freilich um den Preis ihres Verstummens – mittels eines Zaubertranks in einen Menschen verwandelt wird, wäre nun eine Steilvorlage, um alle möglichen identitätspolitischen Fragen zu verhandeln. Dass Mundruczós, der davon spricht, die Oper als »Identitätsdrama« aufzufassen, letztlich davor zurückschreckt, das auf plakative Weise zu tun, ist sicher gut. Die gesamte Handlung in den verschiedenen Etagen des Berliner Hauses anzusiedeln und die Märchenfiguren als profane Zeitgenossen zu präsentieren, mutet dann aber doch als Verlegenheitslösung an. Ob es ihm damit gelingt, ein junges Publikum für das Stück zu begeistern, so sein Wunsch, muss ebenfalls bezweifelt werden.
Die Märchenoper aus der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende als historisch zu akzeptieren, wäre wahrscheinlich die Voraussetzung, sich dem Stoff aus einer zeitgenössischen Perspektive zu nähern. Der Versuch einer krampfhaften Aktualisierung, der in diesem Fall auch nicht wirklich konsistent ist, hilft da nur sehr bedingt weiter. Dabei steht außer Zweifel, dass Monika Pormales Bühnenbild sehr gut gemacht ist. Darüber, zu welchem Stück es passen würde, darf spekuliert werden. Robin Ticciati, der Chefdirigent des Deutschen Symphonieorchesters Berlin, macht das aber über weite Strecken vergessen, wenn er das »lyrische Märchen« in seinen zarten wie auch in den dramatischen Passagen zum Blühen bringt. Als Radioübertragung wäre diese Berliner »Rusalka« uneingeschränkt zu empfehlen.
Nächste Vorstellungen: 11.2., 15.2., 18.2., Staatsoper Berlin
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