USA destabilisieren den Irak

Milizen üben bedeutenden Einfluss auf die irakische Innenpolitik aus

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Angriff ereignete sich auf einer Hauptverkehrsstraße mitten in einer Wohngegend in Bagdad. Anwohner berichteten von einem Knall, einem Feuerball aus einem fahrenden Auto: Mit einer Drohne habe das US-Militär Abu Bakir Al-Saadi, einen Kommandeur der Miliz Kataib Hisbollah, sowie zwei Angehörige der Organisation, getötet, teilte das Pentagon später mit.

Eine Nachricht, die im Irak für Wut sorgte, eine Wut, die exemplarisch ist für das Verhältnis der Menschen in der arabischen Welt zu den Vereinigten Staaten. »Das sind echte Menschen, die da wohnen, keine Figuren in einem Computerspiel«, sagte der deutlich aufgebrachte irakische Militärsprecher Yahya Rasul. »Unsere Bevölkerung hat so viele Jahre unter Krieg und Terror gelitten und eigentlich sollte das US-Militär doch dabei helfen, für Sicherheit zu sorgen.«

Milizen gibt es im Irak sehr viele, mindestens 113. Einige davon existierten bereits zur Zeit von Diktator Saddam Hussein. Die meisten bildeten sich jedoch rund um das Jahr 2003, als das US-Militär im Irak einmarschierte, Hussein stürzte und das Land besetzte. Die iranischen Revolutionsgarden sahen die Instabilität als Gelegenheit, Fuß im Nachbarland zu fassen. Um dieses Ziel zu erreichen, unterstützten sie, wie auch in vielen anderen Ländern der Region, Gruppen wie Kataib Hisbollah mit Geld und Waffen. Damit waren die Revolutionsgarden aber nicht allein. Auch einstige Funktionäre des Hussein-Regimes, die USA und wahrscheinlich auch Saudi-Arabien sowie die Türkei unterstützten einzelne Gruppen.

Das Resultat: Terror, Krieg. Aber auch: ein enormer Anstieg der Kriminalitätsrate. Denn viele dieser Gruppen werden von der irakischen Polizei für Entführungen, Drogenhandel, Geldwäsche und andere Formen der organisierten Kriminalität verantwortlich gemacht. Und fördernd wirken dabei auch die US-Sanktionen gegen den Iran. Der Irak ist zum Durchgangsland für den Schmuggel geworden, der überwiegend von den Revolutionsgarden über ein Netz aus Scheinfirmen gesteuert wird.

Regierung und Militär haben sich damit arrangiert, weil sie müssen. Denn als Lebensversicherung haben sich viele der Gruppen hinter eine der vielen Fraktionen im Parlament gestellt. Aus Unterlagen der Generalstaatsanwaltschaft ergibt sich, dass auch Abgeordnete bestochen werden. Und im extrem komplizierten Regierungssystem des Irak sind diese Stimmen unverzichtbar, weil ohne sie kein Parlamentssprecher und damit kein Präsident gewählt werden kann, der dementsprechend auch keinen Abgeordneten mit der Regierungsbildung beauftragen kann.

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Seit Beginn des Gaza-Krieges hatten Milizen mehrfach US-Einrichtungen im Irak angegriffen und mit einer Reaktion darauf war auch in dem Land fest gerechnet worden. Doch dass das ausgerechnet auf einer normalerweise viel befahrenen Straße mitten in einem Wohngebiet geschah, wird als demütigend und respektlos angesehen.

Im Parlament fordern vor allem die schiitischen Abgeordneten die Ausweisung der verbliebenen US-Truppen. Aber auch bei den anderen Fraktionen wird diese Forderung laut. Die USA haben derzeit noch 2500 Soldaten im Irak stationiert, die offiziell nur beratende Funktion haben. Außerdem halten sich auch Soldaten anderer westlicher Staaten im Land auf. Die Bundesregierung hatte im September 2023 beschlossen, die Stationierung von 500 deutschen Soldaten bis Ende Oktober 2024 zu verlängern. Offiziell sind sie Teil der Koalition, die gegen den »Islamischen Staat« (IS) kämpfen soll. Die Terrororganisation kontrollierte bis 2017 unter anderem die Großstadt Mossul. Heute haben sich die Terroristen in die Wüste zurückgezogen, verüben aber weiterhin Anschläge.

Die irakische Regierung wirft der Anti-IS-Koalition vor, dass der Kampf gegen den IS überhaupt nicht mehr im Vordergrund stehe und die Truppenpräsenz vor allem dazu diene, einen »Stellvertreterkrieg mit dem Iran auszufechten«, so Militärsprecher Rasul. Das destabilisiere den Irak nur noch weiter.

Die Auseinandersetzungen zwischen den vom Iran unterstützten Milizen und dem US-Militär hatten bereits vor Ausbruch des Gaza-Kriegs begonnen. Regierungschef Mohammed Schia Al-Sudani hatte deshalb US-Botschafterin Alina Romanowski im Herbst aufgefordert, Gespräche über das Ende der Truppenpräsenz zu beginnen. Die USA knüpften dies aber an die Bedingung, dass zunächst der Einfluss des Iran zurückgedrängt werden müsse. Erst im Januar hatte die US-Regierung dann mitgeteilt, man sei dazu bereit, die Gespräche ohne Vorbedingungen zu beginnen.

Passiert ist das jedoch nicht, was auch Al-Sudani erneut unter Druck setzt: Ihm war es nur mit extremster Mühe gelungen, eine Regierung zu bilden. Fällt diese, drohen erneut Monate der politischen Handlungsunfähigkeit.

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