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Individualisierte Armut
Felix Sassmannshausen über Scheinlösungen gegen Ungleichheit
Der Thinktank Bruegel hat herausgefunden, dass vor allem junge Frauen in der Europäischen Union zu wenig über die Finanzmärkte wissen, um dort zu investieren. Darum soll sich die EU zur Aufgabe machen, hier mehr Wissen zu vermitteln, fordern die Wirtschaftswissenschaftler. Ja, es wäre nicht verkehrt, wenn mehr Leute, vor allem Arbeiterinnen, in der Lage wären, sich an den Finanzmärkten ein paar Euro dazuzuverdienen. Zumal dort der Reichtum zunimmt, während er im Bereich der realen Akkumulation aktuell eher stockt.
Doch drückt sich darin die Tendenz zur neoliberalen Individualisierung sozialer Ungleichheit aus. Denn letztlich haftet an den Finanzmärkten jeder und jede individuell für sein oder ihr Erspartes. Und weil das Finanzkapital vor Krisen nicht gefeit ist, bedeutet das auch: Das investierte Geld kann schnell wieder weg sein. Nein, kollektive Probleme zu individualisieren, kann nicht die Lösung sein.
Was gegen die Ungleichheit helfen würde, ist eine solidarische Umverteilung. Dazu könnte vorhandenes Wissen über das Finanzkapital genutzt werden, um Profite durch Abgaben abzuschöpfen. Oder man macht Ernst mit der Vermögens- oder Erbschaftssteuer, um die Renten und Sozialleistungen zu erhöhen. Doch da herrscht politischer Unwille. Stärker noch: Finanzminister Christian Lindner hat vorgeschlagen, man müsse die Sozialausgaben auf drei Jahre einfrieren. Absehbar also, dass wegen der Scheinlösung der neoliberalen Individualisierung am Ende wieder Arme, vor allem lohnabhängige Frauen, für ihr Elend selbst verantwortlich gemacht werden.
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