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Türöffner für CO2-Speicherung
Wirtschaftsminister Habeck stößt mit seinen CCS-Plänen auch in den eigenen Reihen auf Kritik
Wer klimapolitisch begründen will, warum sich beim besten Willen nicht alles CO2 vermeiden lässt, nimmt als Beispiel die Zementindustrie. Diese ist in Deutschland aktuell für den Ausstoß von jährlich rund 20 Millionen Tonnen Kohlendioxid verantwortlich. Ein großer Teil entsteht dabei beim Brennen des Kalksteins, das CO2 gelangt mit den Ofenabgasen in die Atmosphäre. Auch das Umweltbundesamt kommt zu dem Ergebnis, dass sich die sogenannten rohstoffbedingten Emissionen nicht vollständig vermeiden lassen. Anders gesagt: Wenn Deutschland bis 2045 klimaneutral werden und weiter Zement als Baustoff nutzen will, führt an der CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) kein Weg vorbei. Bisher ist die Nutzung des Verfahrens aber nicht erlaubt.
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Keineswegs zufällig stand deswegen der Chef des Baustoffkonzerns Heidelberg Materials, Dominik von Achten, am Montag an der Seite von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), als dieser neue Eckpunkte der Bundesregierung zur CO2-Abscheidung sowie den Entwurf eines Kohlenstoffspeichergesetzes vorstellte. Laut diesem darf das CO2 künftig in Pipelines von den Erzeugern zu Speicherstätten in der Nordsee transportiert werden.
Bis 2029 will der Heidelberger Baustoffriese als Pilotprojekt sein Zementwerk Geseke bei Paderborn mit einer CO2-Abscheidung ausstatten. Das rechnet sich zumindest auf längere Sicht, weil man sich die künftig knapper und teurer werdenden Emissionszertifikate spart. Das Treibhausgas soll nach bisheriger Planung per Bahn an die Küste nach Wilhelmshaven gebracht und von dort nach Norwegen verschifft werden. Die Skandinavier lagern schon seit einigen Jahrzehnten CO2 in alte Erdgaslager ein und bieten dies unter dem Projektnamen »Northern Lights« künftig europaweit an.
Neben dem »Export« soll das Kohlenstoffspeichergesetz aber auch die unterirdische Einlagerung in Offshore-Speicherstätten in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) beziehungsweise unter dem Festlandsockel im Meer ermöglichen. Das deutsche Festland soll aber für die CO2-Speicherung tabu bleiben.
Während CCS für Zement vorerst klimapolitisch wenig umstritten ist, entbrennt in Deutschland die Debatte darum, ob sich die künftigen Pipelines nicht auch für andere CO2-trächtige Erzeugungen nutzen lassen, speziell für die neu zu errichtenden Gaskraftwerke. Diese sollen als »Back-up« für ein erneuerbares Stromsystem dienen. CCS könnte auch dazu genutzt werden, Erdgas selbst in »blauen« Wasserstoff umzuwandeln, womit sich später auch Wasserstoffkraftwerke weitgehend klimaneutral betreiben ließen.
Habeck plädierte bei der Präsentation der CCS-Pläne für ein pragmatisches Herangehen. Er kann sich die CO2-Abscheidung auch an Kraftwerksstandorten vorstellen, die nicht schnell genug an das geplante Wasserstoff-Kernnetz angeschlossen oder nicht anders dekarbonisiert werden können. Einen massenhaften Run auf CCS im Gasbereich befürchtet er indes nicht.
Damit stößt er auch in seiner eigenen Partei auf Gegenwehr. Es sei zwar gut, dass jetzt eine klare gesetzliche Regelung für einige unvermeidbare Emissionen in der Industrie geschaffen werde, erklärt die Grünen-Bundestagsabgeordnete Lisa Badum gegenüber »nd«. Sie begrüßt auch die Entscheidung, dass die Verursacher und nicht die Steuerzahler das künftige Pipelinenetz bezahlen sollen. CCS bei Gaskraftwerken lehne die Bundestagsfraktion der Grünen jedoch ab, betont Badum. Mit seinen Vorschlägen hat Habeck der bis Mittwoch laufenden Fraktionsklausur in Leipzig ein Streitthema auf den Tisch gelegt.
Der Klimaökonom Ottmar Edenhofer sieht zumindest keine Gefahr, dass CCS für den Weiterbetrieb von Kohlekraftwerken genutzt werde. Dafür gebe es bei den heutigen CO2-Preisen kein Geschäftsmodell, sagte der Ko-Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung am Montag ebenfalls an der Seite von Habeck. Beim Erdgas stellt sich das ein wenig anders dar, räumte Edenhofer ein. Hier müssten alle sogenannten Vorketten-Emissionen bei Förderung und Transport bepreist werden, um die Gefahr eines fossilen Lock-ins abzuwenden, also eines klimaschädlichen Weiterbetriebs der Gasanlagen.
Klimaschützer und Umweltverbände kritisieren die Vorlagen des Wirtschaftsministers scharf. Die Ampel-Regierung habe auf dem jüngsten Weltklimagipfel in Dubai die Position vertreten, dass CO2-Abscheidung keine Option für den Stromsektor und insbesondere für Gaskraftwerke sei. Habecks Kehrtwende stelle die Glaubwürdigkeit früherer Äußerungen der Regierung auch international infrage, so die Deutsche Umwelthilfe. Zudem sei die Öffnung der deutschen Nordsee für die CO2-Speicherung ein schwerer Schlag für den Meeresschutz.
Wie groß der Beitrag der CO2-Speicherung am Ende sein muss, damit Deutschland klimaneutral werden kann, ist nach wie vor unklar. Edenhofer bezifferte am Montag die nötige Kapazität auf rund 50 Millionen Tonnen ab 2040. Die größten Beiträge »liefern« hier neben der Zementbranche der Agrarbereich und die Luftfahrt, bei denen es ebenso nicht vermeidbare CO2-Emissionen gebe. Auch streiten Experten noch, was wirklich »unvermeidbar« oder »schwer vermeidbar« ist.
Aus heutiger Sicht wäre der größte Teil dieser Menge nicht durch technische Lösungen wie CCS zu vermeiden, sondern durch Maßnahmen des natürlichen Klimaschutzes wie Waldaufbau oder Moorschutz. Für Grünen-Politikerin Badum gilt zudem weiter der Vorrang des Umstiegs auf klimafreundliche Technologien: »Gerade im Bausektor müssen wir noch besser werden und zum Beispiel lernen, mit weniger Zement auszukommen.«
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