Klette schweigt in Untersuchungshaft

Zweiter festgenommener RAF-Verdächtiger wieder entlassen

Der Polizeieinsatz in dem Mietshaus, in dem Daniela Klette lange gelebt hat, dauert an.
Der Polizeieinsatz in dem Mietshaus, in dem Daniela Klette lange gelebt hat, dauert an.

Der von der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe vor Jahren erwirkte Haftbefehl gegen die in Berlin gefasste Daniela Klette ist weiterhin in Kraft. Das sagte eine Sprecherin der obersten deutschen Anklagebehörde am Mittwoch. Bei ihrer Vorführung beim zuständigen Ermittlungsrichter am Amtsgericht Verden habe sie sich nicht zur Sache geäußert, erklärte eine Sprecherin des niedersächsischen Justizministeriums.

Klette gilt den Fahndern als Mitglied der Roten Armee Fraktion (RAF). Die strafbare Mitgliedschaft in der bewaffneten und als terroristisch bezeichneten Organisation ist jedoch verjährt. Trotzdem erhofft sich die Bundesanwaltschaft Aussagen, um weitere Erkenntnisse zur sogenannten dritten RAF-Generation zu gewinnen. Klette stehe die Kronzeugenregelung offen, sagte dazu Oberstaatsanwalt Clemens Eimterbäumer, der bei der Staatsanwaltschaft Verden die Ermittlungen gegen Klette führt.

Konkret wird Daniela Klette zur Last gelegt, gemeinsam mit den noch gesuchten RAF-Mitgliedern Ernst-Volker Staub (69) und Burkhard Garweg (55) vor 31 Jahren einen Sprengstoffanschlag auf die im Bau befindliche Justizvollzugsanstalt Weiterstadt verübt zu haben. Klette soll darüber hinaus mit weiteren RAF-Mitgliedern versucht haben, 1990 einen Sprengstoffanschlag auf ein Gebäude der Deutschen Bank in Eschborn zu verüben. Außerdem hatte Klette Erkenntnissen der Ermittler zufolge 1991 mit anderen RAF-Mitgliedern mindestens 250 Schüsse auf die US-Botschaft in Bad Godesberg abgegeben.

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Die 65 Jahre alte Klette war am Dienstag in einem Mehrfamilienhaus in Berlin-Kreuzberg gefasst worden. Sie war gemeinsam mit Staub und Garweg schon in den 90er Jahren untergetaucht. DNA-Spuren brachten die Ermittler darauf, dass das Trio für Überfälle auf Geldtransporte und Supermärkte im Zeitraum zwischen 1999 und 2016 verantwortlich sein könnte. Tatorte waren unter anderem Osnabrück, Wolfsburg und Stuhr in Niedersachsen sowie Hagen und Bochum-Wattenscheid in Nordrhein-Westfalen; gegen Klette liegen dazu sechs Haftbefehle vor. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Überfälle nicht politisch motiviert waren. Die Beschuldigten sollen die Taten begangen haben, um ihr unauffälliges Leben im Untergrund zu finanzieren.

Für Verwunderung sorgte, dass die Festnahme Klettes am Dienstag nicht wie in derartigen Fällen üblich mit Spezialkräften, sondern mit regulären Polizeikräften erfolgte. Die Einsatzleitung habe befürchtet, dass die Präsenz schwer bewaffneter Beamter und gepanzerter Fahrzeuge in der ruhigen Wohngegend zu sehr auffallen, heißt es zur Begründung.

Inzwischen ergibt sich ein klareres Bild, welches Leben Klette in dem siebengeschossigen Mietshaus geführt hat. Berichten zufolge soll sie einen mutmaßlich gefälschten italienischen Pass mit dem Namen Claudia Ivone benutzt haben. Nachbarn beschrieben sie als freundlich, aber schweigsam. Sie soll sich um einen großen Hund gekümmert haben und nach Italien gereist sein. Als Zuverdienst soll sie Nachhilfeunterricht in Mathematik gegeben haben. 2011 habe sich Klette einen eigenen Facebook-Account anlegt und dort Fotos von sich veröffentlicht, berichtet das Berliner Boulevardblatt »B.Z.«.

Zudem war Klette offenbar Mitglied eines Capoeira-Vereins; hierzu fanden sich auch Einträge in sozialen Medien. Diese Postings wurden Klette womöglich zum Verhängnis: Mithilfe von Gesichtserkennungssoftware hatten Podcast-Journalisten ihr Fahndungsbild mit Fotos im Internet abgeglichen und auf der Facebook-Seite des Capoeira-Vereins einen Treffer erzielt. Anschließend besuchten sie den Verein und fragten nach Klette. Seit vier Jahren habe sie dort aber nicht mehr trainiert, hieß es. Die Gesuchte wurde durch diese Recherche vermutlich gewarnt. Das würde erklären, weshalb sie bei ihrer Festnahme wie von Medien beschrieben »ein wenig erleichtert gewirkt« habe.

Die Folge »Wo ist RAF-Terroristin Daniela Klette?« hatten die Podcast-Macher schließlich kurz vor Weihnachten veröffentlicht. Ob diese Spur die Ermittler letztlich zu der Untergetauchten führte, bleibt offen. Der Fahndungserfolg vom Montag gehe auf einen Hinweis vom November vergangenen Jahres zurück, sagte der Präsident des LKA Niedersachsen, Friedo de Vries, bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Hannover. Mit dem Hinweisgeber sei Vertraulichkeit vereinbart worden.

Trotz des offenbar erfolgreichen Hinweises hatte sich die Staatsanwaltschaft Verden vor drei Wochen in der ZDF-Sendung »Aktenzeichen XY… ungelöst« mit einem Fahndungsaufruf zu dem untergetauchten Trio an die Bevölkerung gewandt. Die Sendung habe rund 250 neue Hinweise gebracht – mehrere Tausend Hinweise seien aber in den vergangenen neun Jahren bearbeitet worden, sagte de Vries. Diese würden ausgewertet, um auch Straub und Garweg zu fassen.

Bei der weiteren am Dienstag in Berlin festgenommenen Person handelt es sich nicht um eines der beiden gesuchten früheren RAF-Mitglieder Burkhard Garweg oder Ernst-Volker Staub. Der Mann wurde aus den polizeilichen Maßnahmen entlassen, wie das Landeskriminalamt Niedersachsen in Hannover mitteilte. Vor Kurzem war bereits am Wuppertaler Hauptbahnhof ein Mann aus einem Zug geholt und festgenommen worden, weil ein Augenzeuge ihn irrtümlich für Staub gehalten hatte.

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