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Großbritannien: Unruhestifter zurück im Unterhaus
Bei einer Nachwahl im englischen Rochdale triumphiert Außenseiter George Galloway
Durch Bescheidenheit ist George Galloways noch nie aufgefallen. Als er am Freitag in den frühen Morgenstunden im nordenglischen Rochdale ans Mikrofon trat, um eine kurze Ansprache zu seinem Wahlsieg zu halten, verkündete er: »Die tektonischen Platten haben sich verschoben«. Sein Triumph werde »eine Bewegung entfesseln«, sogar einen »Erdrutsch« auslösen. Galloway wetterte gegen das politische Establishment in London: Premierminister Rishi Sunak und Oppositionschef Keir Starmer seien »zwei Backen desselben Hinterns.« Und beide seien bei der Nachwahl in Rochdale »so richtig versohlt worden.«
Es ist eine Aufgeblasenheit, die man von Galloway, dem linken Außenseiter, bestens kennt. Er war bis 2003 Labour-Abgeordneter, dann wurde er aufgrund seiner Ablehnung des Irakkriegs von der Partei ausgeschlossen. Seither hat der wortgewaltige schottische Unruhestifter in der britischen Politik immer wieder für Aufsehen gesorgt – und der Labour-Partei Kopfschmerzen bereitet. Der Sieg in Rochdale, wo nach dem Tod des dortigen Labour-Abgeordneten eine Ersatzwahl stattfand, ist bereits das dritte Mal in zwanzig Jahren, dass er der Labour-Partei einen Parlamentssitz wegschnappt.
Galloways Sieg in Rochdale ist bemerkenswert: Er schaffte es, mit seiner erst wenige Jahre alten Workers Party of Britain einen vormals sicheren Labour-Sitz zu gewinnen, und zwar mit einem Stimmenanteil von rund 40 Prozent und einer dicken Mehrheit von über 5000 Stimmen.
Zwar gab es besondere Umstände, die seinen Sieg erleichterten. Der Labour-Kandidat Azhar Ali war mitten in der Wahlkampagne ins Schlittern geraten: Eine Audioaufnahme war aufgetaucht, in der Ali eine anti-israelische Verschwörungstheorie verbreitet und behauptet, dass Israel das Hamas-Massaker vom 7. Oktober bewusst zugelassen habe. Nach dieser Enthüllung war er für Labour unhaltbar geworden. Allerdings war es da bereits zu spät, um einen neuen Kandidaten auszuwählen. So entschied sich Labour ganz einfach, sich von ihm zu distanzieren und nicht mehr für ihn Wahlkampf zu machen.
Dennoch dürfte Galloways Wahl in Rochdale in Westminster Alarmglocken läuten lassen, besonders bei Labour. Der pro-palästinensische Galloway hatte seinen Wahlkampf vor allem auf einer Forderung aufgebaut: Ein sofortiges Ende der israelischen Militäroperation in Gaza. Damit vertritt er eine Haltung, der sich auch weite Teile der Labour-Basis anschließen – aber nicht die Führung unter Keir Starmer. Dass der Labour-Chef Israel lange Zeit unkritisch die Unterstützung zugesichert hatte, bevor er letzte Woche verhalten einen Waffenstillstand forderte, hat ihm parteiintern viel Kritik eingebracht. Dutzende Labour-Gemeinderäte sind aufgrund der Gaza-Politik Starmers aus der Partei ausgetreten. Besonders muslimische Briten, die mehrheitlich Labour wählen, sind laut Umfragen zunehmend desillusioniert von der Partei.
Auf diese bisherigen Labour-Wähler zielte Galloways Kampagne in Rochdale ab. »Keir Starmer, dies ist für Gaza«, sagte Galloway in seiner Siegesrede am Freitagmorgen. Der Labour-Vorsitzede werde einen »hohen Preis bezahlen« dafür, dass er »die Katastrophe in Gaza« mitverantwortet habe. Galloways Behauptung, dass er eine Bewegung losgetreten habe, mag übertrieben sein – Experten verweisen darauf, dass die Umstände in der Rochdale-Wahl zu speziell sind, als dass man daraus Schlüsse für den Rest des Landes ziehen könne. Aber dennoch ist Galloways Wahlsieg signifikant: Er zeigt, dass die Ereignisse im Nahen Osten die britische Innenpolitik immer direkter beeinflussen.
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