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AfD beschäftigt 100 Rechtsextreme
Linke-Abgeordnete Renner fordert Hausverbot für gewaltbereite Verfassungsfeinde im Bundestag
Im Bundestag hat jeder Abgeordnete ein Budget für Mitarbeiter*innen. Sie können sich überlegen, wie viele Menschen in einem oder mehreren Wahlkreisbüros arbeiten und wie viele sie im Berliner Büro beschäftigen wollen. Zusätzlich haben die Fraktionen des Bundestags noch eigene Mitarbeiter*innen. Sie kümmern sich meist um organisatorische Dinge oder sind für ein bestimmtes Themengebiet zuständig. Insgesamt summiert sich das. Die 735 Abgeordneten und ihre Fraktionen haben aktuell 5600 Beschäftigte.
Gut ein Zehntel davon arbeitet für die AfD. Und von denen sind, wie Recherchen des Bayerischen Rundfunks (BR) ergeben, 100 ganz besonders interessant. Sie sind oder waren in Gruppierungen aktiv, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft werden. Der BR stützt sich auf »interne Namenslisten« aus dem Bundestag und Mitarbeiterverzeichnisse aus der AfD-Fraktion, die er einsehen konnte. Die Fraktion wies den Bericht scharf zurück und sprach von einer Kampagne.
Unter den Mitarbeiter*innen sollen laut BR Personen sein, die namentlich in Verfassungsschutzberichten erwähnt werden, die Führungspositionen in beobachteten Organisationen innehaben und die als Referenten beim als rechtsextremistisch eingestuften Institut für Staatspolitik (IfS) in Schnellroda aufgetreten sind. Auch ein Vertreter des Vereins »Ein Prozent«, der vom Inlandsgeheimdienst zur sogenannten neuen Rechten gezählt wird und ebenfalls als rechtsextremistisch eingestuft wurde, ist demnach darunter.
Einen großen Teil der mehr als 100 Mitarbeiter*innen, von denen die Rede ist, machen den Recherchen zufolge Mitglieder der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) aus, die der Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch einstuft, und Mitarbeiter aus den AfD-Landesverbänden Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die von den dortigen Verfassungsschutzämtern als gesichert rechtsextremistisch eingestuft werden. Allein rund 25 Beschäftigte sind demnach in der JA und »Dutzende« kommen laut dem Bericht aus den drei genannten Landesverbänden.
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, bezeichnete die Veröffentlichung am Dienstag in Berlin als »Teil einer üblen Kampagne«. Er verwies auf die in Münster laufende Gerichtsverhandlung zwischen der AfD und dem Verfassungsschutz und sprach von nebulösen Verdächtigungen. Baumann selbst ist Arbeitgeber von Marie-Thérèse Kaiser. Die junge AfD-Politikerin ist besonders in den sozialen Netzwerken aktiv. Außerdem engagiert sie sich in der Fraueninitiative Lukreta, die den Identitären nahesteht. Für den Verein »Ein Prozent« erstellt sie Videos.
Mitglied im Vorstand von »Ein Prozent« ist John Hoewer. Er arbeitet für den AfD-Abgeordneten Sebastian Münzenmaier. Dem BR liegen nach eigenen Angaben Fotos vor, die Hoewer beim Kampfsport-Training mit Neonazis zeigen. Aus dem Jahr 2017 gibt es Videos, die ihn bei körperlichen Auseinandersetzungen mit linken Demonstrant*innen zeigen. Ein anderer extrem rechter Mitarbeiter der AfD spielte schon in der großen Recherche von Correctiv eine Rolle: Mario Müller. Müller soll beim Potsdamer Geheimtreffen über den Kampf gegen links und eine Outingplattform berichtet haben. Die Folge eines Outings: ein gewalttätiger Angriff. Auch Mario Müller selbst wurde mehrfach wegen Gewalttaten verurteilt.
Martina Renner, Bundestagsabgeordnete der Linken, verwies auf der Plattform X darauf, dass es in der AfD-Fraktion von Typen wie Müller wimmele und dass dies nicht verwunderlich sei. Für Konsequenzen sei das Bundestagspräsidium zuständig. Auf nd-Nachfrage erläuterte Renner, dass sich die Konsequenzen aus der 2023 geänderten Hausordnung ergäben. Demnach kann die Zuverlässigkeit und damit die Zutrittsberechtigung zum Bundestag jährlich wiederholt geprüft werden. Für Renner ist eindeutig, dass sich aus Berichten wie dem des BR »Hinweise auf die Unzuverlässigkeit« ableiten lasssen. Renners Forderung: »Gewaltbereite oder verfassungsfeindliche Einstellungen sollten einer Zutrittsberechtigung entgegenstehen und eher zu einem Hausverbot führen.« Bundesinnenministerin Nancy Faeser plädierte sogar für eine Verschärfung der Regeln, wer angestellt werden darf. »Der Bundestag kann seine eigenen Regeln überprüfen und Verschärfungen diskutieren«, sagte Faeser der »Rheinischen Post« vom Mittwoch. Die Regierung habe in solchen Fällen wegen der Gewaltenteilung aber keine Handhabe, hier könne nur das Parlament selbst aktiv werden. Mit Agenturen
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