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Hohe Streikbereitschaft bei Lufthansa

Verdi-Verhandlungsführer Marvin Reschinsky über den Tarifstreit bei der Lufthansa, Millionenschäden durch Streiks – und warum sie gerechtfertigt sind

Bei den Verhandlungen für einen Tarifvertrag mit dem Bodenpersonal schließt die Gewerkschaft Verdi einen Erzwingungsstreik nicht aus.
Bei den Verhandlungen für einen Tarifvertrag mit dem Bodenpersonal schließt die Gewerkschaft Verdi einen Erzwingungsstreik nicht aus.

Sie verhandeln mit der Lufthansa über Lohnerhöhungen. Konzernchef Carsten Spohr sagt, die Beschäftigten würden bereits an den Gewinnen beteiligt. Wofür kämpfen Sie dann noch?

Die Beteiligung am Unternehmensergebnis läuft über Einmalzahlungen. Wir haben allerdings in den letzten Jahren eine hohe Inflation erlebt, die noch lange nicht ausgeglichen ist. Deswegen muss unsere Forderung in Höhe von 12,5 Prozent, aber mindestens 500 Euro, umgesetzt werden. Dann haben die Beschäftigten auch nachhaltig etwas von dem guten Geschäftsergebnis, das erneut Milliardengewinne aufweist und sich im Vergleich zu 2022 noch mal verbessert hat.

Das Unternehmen zeichnet für das laufende Jahr ein düsteres Szenario. Sind Ihre hohen Forderungen gerechtfertigt?

Ja, weil die Lufthansa es heute schon nicht mehr schafft, das Personal von morgen in den Konzern zu bringen. Bei den Technikern haben sich zum Beispiel Reallohnverluste von über zehn Prozent in den letzten drei Jahren angesammelt. Die gilt es auszugleichen, deswegen die relativ hohen Forderungen. Wenn die Lufthansa auch morgen noch vom Standort Deutschland aus operieren und hier Gewinne generieren möchte, sind unsere Bedingungen notwendig. Ansonsten wird es schwer, Beschäftigte zu finden, vor allem mit Blick auf den Arbeitskräftemangel.

Interview

Marvin Reschinsky ist bei der Dienst­leistungsgewerkschaft Verdi zuständig für die Fachgruppe Luftverkehr. Im aktuellen Tarifstreit mit der Lufthansa führt er die Verhandlungen für das Bodenpersonal.

Die Lufthansa behauptet, sie habe ein gutes Angebot gemacht.

Wir haben schon vier Verhandlungen geführt. Die Arbeitgeberseite hat zuletzt eine Laufzeit von 28 Monaten und zwei gestückelte Gehaltserhöhungen mit beginnenden Nullmonaten, also Monaten ohne Anstieg, angeboten. Darüber hinaus soll es eine einmalige Inflationsausgleichsprämie geben. Aber während der Krise haben die Beschäftigten dem Unternehmen geholfen, indem sie auf Lohnforderungen verzichtet haben. Vor dem Hintergrund der Reallohnverluste der letzten drei Jahre ist das Angebot schlicht nicht anschlussfähig. Deswegen wurde zuletzt wieder gestreikt.

Verdi verhandelt für das Bodenpersonal. Nach einem Aufruf der Gewerkschaft Ufo streikt auch das Kabinenpersonal, das mit über 90 Prozent dafür gestimmt hat. Wie hoch ist die Streikbereitschaft bei Verdi?

Die ist ungebrochen hoch, auch nach dem fünften Streik. Wir haben eine Beteiligung von 85 bis 95 Prozent. Etwas, was es am Boden der Lufthansa so in der Breite noch nie gab. Und wenn es auch am Donnerstag keine Ergebnisse geben sollte, werden die Beschäftigten über eine Urabstimmung sprechen. Dann könnte es zu einem Erzwingungsstreik kommen. Das diskutieren aber die Beschäftigten gemeinsam.

Wie kommt es, dass bei der Lufthansa mehrere Gewerkschaften miteinander konkurrieren?

Seinerzeit haben sich die Beschäftigten für andere Gewerkschaften als Verdi entschieden. Wir haben aber mittlerweile einen großen Zulauf aus verschiedenen Beschäftigtengruppen. Darunter das Kabinenpersonal, aber inzwischen auch Cockpitpersonal bei den Lufthansa-Töchtern.

Sie konkurrieren mit Ufo. Sprechen Sie sich ab, wenn deren Mitglieder streiken und Sie parallel Verhandlungen führen?

Wir sprechen uns nicht ab. Trotzdem sind wir mit den Streikenden in der Kabine solidarisch. Wir haben in den letzten Tagen eine Solidaritätserklärung an die Kabinenbeschäftigten gesendet, weil sie auch zu großen Teilen in Verdi organisiert sind. In der Auseinandersetzung stehen wir Seite an Seite. Da ist kein Platz für Gewerkschaftskonkurrenz.

Der wirtschaftliche Schaden durch die Streiks wird von der Lufthansa auf etwa 100 Millionen Euro beziffert. Sind die Ausstände verhältnismäßig?

Aus meiner Sicht ist der Streikschaden zu niedrig beziffert. Wir haben aus den Gewerken des Konzerns gehört, wie hoch der Schaden ist. Da komme ich auf deutlich über 100 Millionen Euro. Die Streiks sind aber verhältnismäßig, weil die Arbeitgeberseite sich in vier Verhandlungsrunden kaum bewegt hat. Das Unternehmen muss ein gutes Angebot machen, um keine weiteren Ausstände zu provozieren.

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Bei der letzten Streikrunde fanden parallel Ausstände bei der Bahn und bei der Lufthansa statt. Vor dem Hintergrund wird über Einschränkungen des Streikrechts diskutiert. Wie bewerten Sie das?

Solche Bestrebungen sind resolut zurückzuweisen. Die Arbeitgeber haben über Jahrzehnte die infrastrukturell wichtigen Teile unserer Daseinsvorsorge ausgelagert und gespalten. Zum Beispiel war die Luftsicherheit in der öffentlichen Hand. Das hat die Bundespolizei gemacht. Heute übernehmen das privatwirtschaftliche Firmen. Die Beschäftigten haben teilweise mit Stundenlöhnen von sieben Euro angefangen, mit dem Ergebnis, dass wir seit Jahren viele Streiks dort erleben. Sie haben erkannt, dass sie sich durchsetzen können, wenn sie sich organisieren. Da kann man aber als Arbeitgeberverband oder Konzern nicht hingehen und sagen, das Streikrecht muss eingeschränkt werden. Guter Tipp an der Stelle wäre eher, darüber nachzudenken, was in den Unternehmen wieder zusammengeführt und in vernünftige Bahnen gelenkt werden muss. Denn wenn die öffentliche Daseinsvorsorge in besseren Händen ist, gibt es auch weniger Streiks.

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