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Berliner Techno als Weltkulturerbe: Endlich Mainstream
Berliner Technokultur als immaterielles Weltkulturerbe der Unesco aufgenommen
»Na wat’n los, Oma? Dit is’ normal!« – diese Verteidigung der Technomusik durch einen jungen Mann am Rande der Loveparade 1995 scheint nun auch die deutsche Kulturministerkonferenz der Länder zu teilen: Am Mittwoch hat sie die Berliner Technokultur in die Liste des immateriellen Unesco-Weltkulturerbes aufgenommen. Mit Ursprüngen im Detroit, Frankfurt am Main und Berlin der 80er Jahre wurden die treibenden Bässe zum Soundtrack der Wende und sind nun als weltweites Phänomen im Mainstream angekommen.
»Des is’ a Krach, aber keine Musik«, entgegnete besagte Oma. Für die Unesco zeichnet sich Techno dagegen »durch elektronische Töne aus, die in rhythmisch monotoner Struktur aneinandergereiht werden«. Bei der Technokultur in Berlin handele »es sich nicht nur um eine spezifische Musikstilrichtung, sondern auch um einen gelebten Gegenentwurf zu klassischen Praktiken des Musikhörens«, schreibt die Unesco.
Die Tanzpartys sind dabei nicht von der Musik zu trennen – hier wird deutlich, wieso gerade Berlin diese Anerkennung erfährt: In wohl keiner anderen Metropole kann so exzessiv gefeiert werden. Während es andernorts Sperrstunden gibt, laufen in Berlin jedes Wochenende etliche Veranstaltungen von Freitagnacht bis Montagmittag ohne Pause und häufig unter Drogeneinfluss der Tanzenden – das zieht auch viele Tourist*innen in die Techno-Hauptstadt der Welt.
Die Szene ist ein großer Wirtschaftsfaktor: 2019 schätzte eine Studie der Clubcommission, dass jährlich 1,5 Milliarden Euro durch die Clubkultur erwirtschaftet werden. Der Clubcommission-Chef Marcel Weber schätzt die Zahl mittlerweile noch höher. Das scheinen nun auch die Kulturminister der Länder und Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) mit der Aufnahme zu würdigen.
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Von der Anerkennung als Weltkulturerbe erhofft Dr. Motte sich bessere Rahmenbedingungen für die Clubszene: niedrigschwellige Förderung, leichtere Genehmigungen für neue Clubs. Eine Anerkennung bedeute, »dass die Regierung helfen muss, die Kultur zu erhalten«, sagte er 2021 dem »DJ Mag«.
Die mit dem von Techno-Kollektiven genutzten Leerstand im Nachwende-Berlin entstandenen, unkommerziellen Freiräume haben die besondere Strahlkraft der Stadt ausgemacht. Doch gerade diese Freiräume sind schon zuhauf ausgestorben oder bedroht: Steigende Preise und hohe Mieten haben jüngst das »Mensch Meier« zum Schließen gezwungen, das »Yaam« hat Geldprobleme und am Ostkreuz sollen mehrere Clubs der A100 weichen.
Ob der neue Status die wenigen übriggebliebenen Freiräume schützen kann, ist fraglich – Äußerungen aus dem Senat klingen weniger nach dem »Gegenentwurf« der Technoszene: »Die Regeln des Marktes müssen auch am Clubeingang akzeptiert werden«, sagte Kultursenator Joe Chialo (CDU) dem Magazin »Groove«.
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