Rassismus in Brandenburg: Rechte Gewalt nimmt deutlich zu

Rechtsextreme Gewalttaten sind 2023 bedeutend angestiegen – das zeigen Zahlen des Vereins Opferperspektive

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 3 Min.

Vom Fahrrad gerissen, geschlagen, beleidigt und mit einem Messer am Kopf verletzt: Was vergangenen Sommer in Wittstock/Dosse (Ostprignitz-Ruppin) einem Mann aus Guinea angetan wurde, hatte sich zuvor eigentlich schon angekündigt. Immer wieder war die Tätergruppe im Wohnumfeld des Betroffenen aufgefallen. Fäkalien wurden gegen dessen Wohnungstür geworfen, der Briefkasten wurde beschädigt. Der Mann selbst war immer wieder beleidigt und bedroht worden.

242 rechtsmotivierte Angriffe wie dieser haben sich im vergangenen Jahr in Brandenburg ereignet, wie Judith Porath, Geschäftsführerin des Vereins Opferperspektive, am Montag in Potsdam erklärt. Die neue Jahresbilanz für 2023 zeigt damit eine deutliche Steigerung im Vergleich zum Vorjahr: 2022 hatte die Opferperspektive noch 138 Übergriffe gezählt. Die Zahl der Körperverletzungen stieg von 105 auf 135. Damit hat die rechtsextreme Gewalt einen Umfang erreicht, wie er zuletzt im Jahr 2016 ermittelt worden war.

Allein für rassistische Gewaltangriffe wurden 45 Fälle mehr als noch 2022 gezählt. Porath sieht das als Indiz für ein »zunehmend rassistisches Klima« – angeheizt durch die Ausländerfeindlichkeit der AfD und ähnlich gelagerte Äußerungen anderer Parteien. Neu sei inzwischen, dass die Angreifer aus ihren Vertreibungszielen keinen Hehl mehr machten, so Porath. Täter seien nicht zwangsläufig gewaltbereite Rechtsextreme im klassischen Sinne, sondern kämen auch aus der Mitte der Gesellschaft. Inzwischen sei sogar zu beobachten, »dass Rentner auf Rentner losgehen«.

Auch die Gewalt gegen Obdachlose nimmt zu: Während 2022 ein Überfall registriert wurde, ist die Zahl der »sozialdarwinistischen Angriffe« auf sechs gestiegen. Porath schilderte einen Fall aus Prenzlau, bei dem ein völlig hilfloser Mann brutal zusammengeschlagen worden war. Dabei hatten die Täter das Verbrechen gefilmt und das Video später ins Internet gestellt. Zurückgegangen sind statistisch die antisemitischen Attacken, von acht auf drei ermittelte Fälle. Die Leiterin der Gewaltopferberatung der Opferperspektive, Anne Brügmann, warnt jedoch vor falschen Schlüssen. Jüdinnen und Juden lebten zunehmend in einem Klima der Angst vor physischer Gewalt, die sich mitunter eruptiv äußere. So sei in Potsdam an einer Straßenbahnhaltestelle eine junge Frau angespuckt worden, weil sie eine Kette mit einem Davidstern-Anhänger getragen habe.

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An Bedeutung gewonnen hat außerdem die Queerfeindlichkeit, also unter anderem Gewalt gegen homosexuelle Männer und Frauen. Binnen eines Jahres ist die Zahl der Übergriffe von vier auf zehn gestiegen: Regenbogenfahnen würden abgerissen, entwendet oder verbrannt. Die rechten Gewaltexzesse werden laut Opferperspektive immer enthemmter. Zum Teil seien sogar Säuglinge unter einem Jahr bedroht worden. Erst vor Kurzem landete ein syrischer Schüler in Cottbus nach dem Angriff eines Lehrers im Krankenhaus. Aus Sicht Poraths hat sich die besorgniserregende Entwicklung im neuen Jahr bisher fortgesetzt und wird sich wohl auch vor der anstehenden Wahlen nicht beruhigen.

An ihrer Zählweise hat die Opferperspektive allerdings Änderungen vorgenommen: Inzwischen gehen alle bei der Polizei eingegangenen einschlägigen Sachverhalte in die Statistik ein, seien sie der Opferperspektive detailliert bekannt oder nicht. »Wir bewerten Fälle mitunter anders als die Polizei«, teilte der Verein mit. Wenn es beispielsweise einen Brandanschlag auf die Kirchengemeinde Spremberg gegeben habe und in dieser Gemeinde zuvor rechtsextreme Umtriebe thematisiert worden seien, dann schließe die Opferperspektive auf eine rechtsextreme Tatmotivation.

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