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Neues Cannabisgesetz: »Das ist erst der Anfang.«

Richter kritisiert Ampel-Parteien und Linke für Wackelkurs bei Legalisierung

  • Interview: Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 5 Min.

Würden Sie gerade Wetten darauf abschließen, dass am 1. April legal Cannabis konsumiert werden kann?

Nein! Es wird abhängig sein von den Ampel-Parteien auf Länderebene. Und ich weiß nicht, wie insbesondere die Grünen in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg sich verhalten werden. Die haben es in der Hand. Aber auch die weiteren Ampel-Parteien können auf Länderebene dafür sorgen, dass das Gesetz zum 1.April durchkommt. Und auch Die Linke in Mecklenburg-Vorpommern.

Die Linke in Mecklenburg-Vorpommern?

Ja, die Linke-Justizministerin von Mecklenburg-Vorpommern, Jacqueline Bernhardt, macht permanent Stimmung gegen die Cannabis-Legalisierung und erzählt etwas über die Arbeitsbelastung der Justiz. Stimmt Mecklenburg-Vorpommern für den Vermittlungsausschuss oder enthält sich nicht, macht sich Die Linke mitschuldig. Das wird sie auch wieder Wähler kosten.

Am Samstag haben Sie in Düsseldorf bei einer Demo vor der Zentrale der NRW-Grünen demonstriert. Sind Sie von der Partei besonders enttäuscht?

Ja, natürlich. Nachdem der Bundestag mit überwältigender Mehrheit das Gesetz beschlossen hat, habe ich nicht mehr damit gerechnet, dass es ausgerechnet von den Grünen torpediert werden könnte. Und wenn man Leute wie NRW-Justizminister Limbach oder Herrn Kretschmann aus Baden-Württemberg hört, dann ist jetzt wieder alles in der Schwebe. Und die hätten es ja jeweils in der Hand, sich zu enthalten.

Was treibt die Politiker um, die jetzt zögern?

Interview

Andreas Müller ist seit 1997 Jugendrichter in Bernau bei Berlin. Für Schlagzeilen sorgten Anfang der 2000er Jahre seine kreativen Urteile gegen Neonazis. Seit vielen Jahren setzt sich Müller für die Ent­kriminali­sierung von Cannabis ein.

Dummheit und kein Verständnis von der Thematik. Die wollen sich profilieren und Ruhe reinbringen. Winfried Kretschmann ist ein alter Mann – ich glaube nicht, dass er sonderlich viel Ahnung hat von der Verfolgung, die in Sachen Cannabis seit 50 Jahren in Deutschland passiert. Und der Limbach – ich verstehe es nicht. Der überholt die AfD in Sachen Cannabis auf der rechten Spur.

Ist es nicht so, dass auf jemanden wie den NRW-Justizminister Druck gemacht wird von Staatsanwält*innen und Richter*innen, es sei nicht zu schaffen, die Amnestieregelung umzusetzen, und er gibt diesem Druck nach? Was ist aus Ihrer Sicht als Richter an dem Argument der Arbeitsüberlastung dran?

Das ist hochgradiger Unsinn. Es gibt auch die Neue Richtervereinigung, die immer wieder die Entkriminalisierung sofort fordert. Ich verstehe auch die Staatsanwälte nicht, die von Arbeitsüberlastung faseln. Ich arbeite seit 30 Jahren mit denen zusammen. Und was sie jetzt tun müssen, ist so einfach zu machen. Was gerade passiert, ist reiner Populismus zur Verhinderung des Cannabisgesetzes. Außerdem müssen Ärzte und andere Berufsgruppen auch mal am Wochenende arbeiten. Wenn es also so wäre, wie manche befürchten, würde das drei Wochen mehr Arbeit bedeuten. Aber den Rest der Zeit hätten die Staatsanwälte viel weniger zu tun als zum gegenwärtigen Zeitpunkt.

Worum geht es in den Fällen?

In den meisten Fällen geht es um Vollstreckungsbeendigung. Jemand wird heute zu einer Geldstrafe verurteilt, und das würde dann nicht mehr vollstreckt. Das ist ein Federstrich, mehr ist das nicht.

Sie denken vermutlich nicht, dass die Amnestieregelung ein Fehler war?

Nein! Wenn man wie der US-Präsident sagt, das war absolutes Unrecht, was wir da gemacht haben, und wir wollen das Unrecht beenden, dann muss man es beenden, und zwar sofort. Ich kann nur noch den Kopf schütteln, was in Teilen meiner Berufszunft da veranstaltet wird.

Was meinen Sie genau?

Die Staatsanwaltschaft sollte als objektivste Behörde der Welt sagen: Das machen wir locker. Wie es in Hamburg gerade passiert. Und die Richterschaft sollte sagen: Gott sei Dank, dass wir das endlich machen dürfen. Aber wenn man als Staatsanwalt oder Richter 30 Jahre Cannabis-Konsumenten verfolgt und verurteilt hat, fällt es einem schwer zu sagen: Das war nach damaligem Recht okay, aber heute ist es Unrecht. Das ist der Hintergrund, weswegen sich einige so gegen die Legalisierung sträuben. Die Arbeitsbelastung ist nur vorgeschoben.

Welche Konsequenzen für die Legalisierung drohen, wenn der Vermittlungsausschuss angerufen wird?

Ich habe das drängende Gefühl, dass es dann im Sande verläuft. Die gesamte Arbeit von vielen, vielen Menschen in den letzten Jahren ist dann vielleicht für die Mülltonne. Ich fürchte, es kann dann wieder sehr lange dauern, bis man auch in Deutschland merkt, dass die Zeit der Cannabis-Prohibition ein Ende haben muss. Im Moment überholt die CDU die AfD auf der rechten Spur. So wie die gerade argumentieren, teilweise zusammen mit den Grünen, kann ich nur noch mit dem Kopf schütteln.

Sollte das Cannabisgesetz durch den Bundesrat gehen, sind Sie dann zufrieden?

Nein, das ist noch lange nicht perfekt. Das ist erst der Anfang. Die zweite Säule muss kommen; wir brauchen kanadische Verhältnisse. Da spielt ganz viel eine Rolle: Der Jugendschutz wäre gewahrt, vier Millionen Menschen würden nicht mehr für einen Joint oder eine Pflanze kriminalisiert werden. Das Ansehen der Polizei würde sofort steigen, weil sie die Leute deshalb nicht mehr verfolgt.

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