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Bilanz der Bahn: Jetzt droht Pünktlichkeitsoffensive
Die Deutsche Bahn muss für 2023 einen Verlust von rund zwei Milliarden Euro ausweisen
Wie allgemein erwartet hat die Deutsche Bahn AG bei ihrer Bilanzpressekonferenz am Donnerstag erneut tiefrote Zahlen vorgelegt. Der Konzernverlust summiert sich für das Jahr 2023 auf rund zwei Milliarden Euro (vor Steuern). Noch Ende 2023 hatte die Bahn nur mit einem Minus von 1,3 Milliarden Euro gerechnet. Der Umsatz sank um 13,2 Prozent auf 45,2 Milliarden Euro.
Bei der Sanierung des maroden Schienennetzes blieb man weit hinter den angestrebten Zielen zurück, und vor allem die Gütersparte DB Cargo steckt in einer existenziellen Krise. Sie verzeichnete einen Verlust von 500 Millionen Euro, angepeilt war ursprünglich ein ausgeglichenes Betriebsergebnis. Drastisch eingebrochen ist auch der Gewinn der Logistiksparte DB Schenker, von 1,8 auf eine Milliarde Euro. Schenker soll laut den Plänen der Konzernspitze verkauft werden.
Bei DB Cargo sorgt aber nicht nur das negative Ergebnis für erhebliche Probleme. Die EU-Wettbewerbsbehörde klagt gegen den bundeseigenen Konzern wegen unerlaubter Beihilfen, was auf dem liberalisierten europäischen Markt für den Schienengüterverkehr nicht zulässig ist und zu einer Zerschlagung des Konzerns führen könnte. Deshalb hat DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta vor einigen Monaten ein Transformationsprogramm vorgelegt. Es sieht vor, dass in einem ersten Schritt 1700 Stellen bei DB Cargo abgebaut werden sollen, vor allem im Segment Kombinierter Verkehr (KV) für Einzelwagen und Wagengruppen, das an andere Tochterunternehmen im Konzern abgegeben werden soll.
Der Vorstand hat weitere Maßnahmen angekündigt, weshalb der Betriebsrat davon ausgeht, dass das Ende der Fahnenstange beim Stellenabbau noch nicht erreicht ist. Seit Wochen läuft die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) Sturm gegen diese Pläne, erste Verhandlungen haben aber keine Annäherung gebracht. Am Mittwoch gab es erneut eine Demonstration der EVG vor der DB-Cargo-Zentrale in Mainz.
Ungeachtet der sich weiter verschärfenden Krise des Konzerns, zu der auch ein neuer Unpünktlichkeitsrekord (36 Prozent ) im Personenfernverkehr gehört, gab sich der Bahn-Vorstandsvorsitzende Richard Lutz auf der Bilanzpressekonferenz optimistisch. Die Nachfrage im Schienenverkehr steige und man habe das »größte Investitionsprogramm aller Zeiten« auf den Weg gebracht, denn das »Netz ist zu voll und zu alt«. Die Generalsanierung soll bis 2030 abgeschlossen sein, und das sei der Schlüssel für »für mehr Qualität«. Dazu gehörten auch umfangreiche Digitalisierung, Automatisierung, »attraktive Zukunftsbahnhöfe« sowie KI-Anwendungen im Werkstattbereich. Die Pläne seien durchfinanziert, allerdings unter dem Vorbehalt von »unvorhersehbaren Entwicklungen der geopolitischen Lage«.
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Lutz räumte ein, dass viele Menschen angesichts der Erfahrungen in den vergangenen Jahren Zweifel an der Realitätstauglichkeit der Pläne haben. Um Vertrauen zurückzugewinnen, gebe es in diesem Jahr eine »Pünktlichkeitsoffensive«, um die Verspätungsquote im Fernverkehr auf 30 Prozent zu senken. Eher zynisch klang das »herzliche Dankeschön«, das Lutz an die »engagierten und motivierten Kollegen, die bei der Bahn arbeiten« richtete. Denn die Mitarbeiterzufriedenheit ist derzeit auf einem Tiefpunkt angelangt, und das nicht nur bei den GDL-Mitgliedern. Der zähe Tarifkonflikt ist noch nicht beendet. Nach insgesamt sechs Streiks und mehreren ergebnislos abgebrochenen Verhandlungsrunden wurde in dieser Woche zwar erneut auf Spitzenebene hinter verschlossenen Türen verhandelt, doch ein Ergebnis wurde bislang nicht erzielt.
Das Bündnis »Bahn für Alle«, in dem sich Gewerkschaften, Umwelt-, Naturschutz-, Verkehrs- und Jugendverbände zusammengeschlossen haben, zieht eine vernichtende Bilanz für den bundeseigenen Konzern. Immer drastischer zeigten sich die Folgen des »Bahnkunden-Großversuchs«, der vor 30 Jahren mit der vom Bundestag beschlossenen Umwandlung in eine Aktiengesellschaft begann, heißt es in einer Erklärung. Die aktuelle Bilanz der DB zeige, »dass nur noch eine vollständige Gemeinnützigkeit Abhilfe schaffen kann«.
Als Sofortmaßnahmen fordert das Bündnis unter anderem eine Senkung der Fahrpreise und eine Vereinfachung des Ticketsystems. Zudem müsse die Netzkapazität durch den Wiedereinbau von im Zuge von »Sparmaßnahmen« abgebauten Weichen und Überholgleisen deutlich erhöht werden. Ferner brauche es »konkrete Pläne zur Sanierung bestehender Strecken, zur Elektrifizierung, zur Streckenreaktivierung und zum erheblichen Streckenausbau in der Fläche«. Im Gegenzug sollten Bund und Deutsche Bahn »teure und klimaschädliche Großprojekte einstellen«.
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