Ostermärsche 2024: »Deutschland muss friedenstüchtig werden«

Die Friedensbewegung kündigt rund 100 Aktionen zu Ostern an. Im Mittelpunkt stehen Ukraine- und Nahostkrieg

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 4 Min.
Bei 100 geplanten Ostermarsch-Aktionen sagt die Friedensbewegung auch dieses Jahr: »Nein zum Krieg«.
Bei 100 geplanten Ostermarsch-Aktionen sagt die Friedensbewegung auch dieses Jahr: »Nein zum Krieg«.

Der seit mehr als zwei Jahren andauernde Krieg in der Ukraine, der Hamas-Terror im vergangenen Oktober und Israels Feldzug in Gaza mit Zehntausenden Toten: Die Ostermärsche der deutschen Friedensbewegung stehen in diesem Jahr vor allem im Zeichen der Kriege in Osteuropa und im Nahen Osten. Bundesweit sind rund 100 Demos, Kundgebungen und Mahnwachen angekündigt. Gefordert werden ein Ende der Kämpfe, Waffenstillstand und Friedensverhandlungen für die betroffenen Regionen.

Das in Bonn ansässige Netzwerk Friedenskooperative koordiniert die Aktionen und erwartet, ohne Zahlen zu nennen, eine »rege Beteiligung«. »Unser Ostermarsch-Aufruf wurde in diesem Jahr von mehr als 2000 Einzelpersonen und 71 Organisationen unterzeichnet«, sagt Sprecher Kristian Golla. »Die Menschen wollen, dass die Bundesregierung endlich aktiver wird, um Kriege am Verhandlungstisch zu beenden.«

Dem Verlangen, dass Deutschland wieder »kriegstüchtig« werden soll, müsse »entschieden entgegengetreten« werden, so Golla: »Deutschland muss sich für diplomatische Initiativen in Kriegen einsetzen und nicht Millionen für Rüstung ausgeben. Sprich: Deutschland muss ›friedenstüchtig‹ werden!« Die zentrale Ostermarsch-Infostelle in Frankfurt/Main erteilt in ihrem Aufruf der »unsäglichen Forderung, dass Deutschland kriegstüchtig werden soll«, ebenfalls eine scharfe Absage. Mit Blick auf die Ukraine heißt es hier: »Die Bundesregierung lehnt diplomatische Lösungen ab und heizt mit immer neuen Waffenlieferungen das Kriegsgeschehen weiter an. Mit dieser Erbarmungslosigkeit isoliert sie sich international zunehmend.«

Neben den auch medial dominierenden Kriegen in der Ukraine und in Gaza machen die Ostermarschierer wie in den vergangenen Jahren die Hochrüstung im konventionellen und nuklearen Bereich zum Thema. Der Ruf nach einer atomwaffenfreien Welt werde in vielen Redebeiträgen erklingen und »einen deutlichen Kontrapunkt« zu Forderungen nach Hochrüstung und einer europäische nukleare Abschreckung setzen, so der Ostermarschaufruf des Netzwerks.

»Statt weiter aufzurüsten, muss abgerüstet werden!«, sagt Eckart Stedeler vom Göttinger Friedensbündnis. Die Steigerung der Rüstungsausgaben und die Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels der Nato in Deutschland führten schon jetzt dazu, dass zu Lasten von Sozialleistungen, Bildung und Klimaschutz immer mehr Geld für zivile Bereiche fehle.

»Auch die Kriegsvorbereitungsszenarien durch Atombunkerbau, Ausweitung der Kriegsforschung, Soldaten in Schulen und Einführung der Wehrpflicht wird abgelehnt«, betont Ostermarsch-Veteran Willi van Ooyen in Frankfurt am Main. Zudem erfordere die derzeit laufende Nato-Kriegsübung »Steadfast Defender 2024« Widerstand.

Als erste gehen wie in den vergangenen Jahren die Ostermarschierer in Potsdam auf die Straße. Bereits am 23. März fand dort eine Demo statt. Die meisten Veranstaltungen finden am Osterwochenende selbst statt, darunter der traditionelle dreitägige Ostermarsch Rhein-Ruhr von Duisburg nach Dortmund sowie Ostermärsche in den meisten Hauptstädten der Bundesländer. Auch zwei internationale Ostermärsche sind angekündigt: Der »Europäischer Friedensmarsch Ostern 2024 – Marche européene pour la Paix Pâques 2024« auf der Rheinbrücke zwischen Kehl und Straßburg. Und der Internationale Bodensee-Friedensweg 2024 in Friedrichshafen.

Örtliche Bündnisse setzen eigene Themen. Im schleswig-holsteinischen Jagel wollen Demonstranten zum Fliegerhorst der Luftwaffe ziehen, im niedersächsischen Unterlüß zur Waffenschmiede von Rheinmetall. Der Ostermarsch in Büchel führt zum Haupttor des dortigen Atomwaffenstützpunktes.

Im westfälischen Gronau nehmen die Aktiven die sogenannte friedliche Atomkraftnutzung ins Visier: Sie wollen sich an der einzigen deutschen Urananreicherungsanlage versammeln und deren Stilllegung verlangen – sie ist, wie die Brennelementefabrik im niedersächsischen Lingen, vom Atomausstieg ausgenommen und verfügt über eine unbefristete Betriebsgenehmigung.

Organisiert werden die meisten Aktionen von lokalen Bündnissen, die das schon seit Jahrzehnten tun. Den Ostermarsch auf Rügen veranstaltet die Linkspartei. Vertreter und Vertreterinnen der Linken und des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) sind bei vielen Demos als Redner*innen angekündigt: Bei der Kundgebung auf dem Bremer Marktplatz spricht etwa die BSW-Bundestagsabgeordnete Zaklin Nastic, beim Ostermarsch Sachsen-Anhalt in Wolmirstedt tritt Linke-Politikerin Ellen Brombacher auf die Bühne.

Özlem Alev Demirel, Europaabgeordnete und Kandidatin für Die Linke im Spitzenteam für die Europawahl, wird am 1. April beim Abschluss des Ostermarsches Rhein-Ruhr in Dortmund sprechen. Sie wirbt für zahlreiche Teilnahme an den Friedensaktionen: »In Europa macht die Kommission aus ihrer Ambition der vollen Militarisierung der EU überhaupt keinen Hehl mehr und spricht offen von einer Kriegswirtschaft.«

Der zu verurteilende Überfall Russlands werde für massive Militarisierung und Aufrüstung missbraucht, »ohne Zögern werden immer neue Milliarden in den Rachen der Rüstungsindustrie geworfen, als gäbe es hier kein Genug und erst recht kein Zuviel«, so Demirel weiter.

Explizite Querfrontler*innen zählen, so weit aus den Ankündigungen ersichtlich, nicht zu den Aufrufenden und Eingeladenen der Ostermärsche. Die letzte große Friedensdemo, von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer am 25. Februar 2023 vor dem Brandenburger initiiert, hatte noch Teilnehmende von links bis ganz rechts vereint.

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