Berlin vor dem Sommer: Hauptstadt ohne Hitzeplan

Steigende Temperaturen gefährden obdachlose und alte Menschen – einen Landes-Hitzeplan will der schwarz-rote Senat aber erst 2025 beschließen

Einerseits freut sich der Linke-Abgeordnete Ferat Koçak auf den nahenden Berliner Sommer, andererseits macht er sich Sorgen. »Schwarz-Rot hat keinen Plan für die kommende Hitzewelle«, kritisiert der umweltpolitische Sprecher gegenüber »nd«. »Das trifft besonders Obdachlose.« Zu diesem Schluss kommt Koçak nach eigener Anfrage an den Senat, den die Gesundheitsverwaltung nun beantwortet hat.

Erst ab Mitte 2024 soll demnach ein Hitzeaktionsplan für das Land Berlin erarbeitet werden. Beschließen will ihn der Senat dann 2025. Konkrete Maßnahmen werden laut Gesundheitsverwaltung erst im Erarbeitungsprozess getroffen. In seiner Antwort verweist das Haus der SPD-Senatorin Ina Czyborra auf Vorgaben des Bundesumweltministeriums, die hierbei beachtet werden müssen. Hierbei könne man sich an dem Aktionsbündnis Hitzeschutz Berlin orientieren, das entsprechende Bausteine bereits für das Gesundheitswesen aufgegriffen habe.

Für Koçak ist das zu wenig. »Selbst darüber, was uns dann 2025 erwartet, wissen wir nichts«, sagt der Linke-Politiker. Der schwarz-rote Senat spiele auf Zeit, auch weil notwendige Maßnahmen wie Entsiegelungen nicht mit der eigenen Politik zu vereinbaren seien. Koçak nennt den Bebauungsvorstoß in Sachen Tempelhofer Feld, die geplante Abholzung des Neuköllner Emmauswaldes und in der Ostberliner Wuhlheide. »Die Koalition setzt vollständig auf Beton«, hält er fest.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

Zugleich bleiben aus der Sicht des Abgeordneten wichtige Projekte auf der Strecke: Das einst unter der linken Sozialsenatorin Elke Breitenbach ausgerufene Housing-First-Prinzip habe unter Schwarz-Rot seine Priorität eingebüßt. Das Programm setzt der Berliner Obdachlosenpolitik die Devise, Betroffene möglichst schnell mit Wohnraum zu versorgen. Rund 18 000 Quadratmeter landeseigener Wohnfläche stünden derzeit leer, so Koçak. Neben Obdachlosen seien es außerdem vor allem alte Menschen, die durch starke Hitze gefährdet würden: »Diese Menschen wählen häufig SPD und CDU, doch Schwarz-Rot macht nichts für sie.«

»Der Senat beabsichtigt auch im Jahr 2024, Projekte im Rahmen der Hitzehilfe für obdachlose Menschen zu fördern«, versichert hingegen die Gesundheitsverwaltung. Doch: Die im Haushalt eingeplanten Pauschalen Minderausgaben, mit denen sich der Senat künftige Kürzungen selbst auferlegt hat, sorgen noch für Unklarheiten in der Ausgabenplanung. Um Versiegelung einzudämmen, will der Senat wiederum weiter in die Höhe bauen. Bei »einigen Neubauprojekten«, die auf versiegelten Brachflächen entstehen, werde »kalkulatorisch eine Flächenentsiegelung« erzielt.

Koçak fordert den Senat auf, Klarheit zu schaffen – und erinnert an den Volksentscheid »Berlin 2030 Klimaneutral«. Auch gegen ihn zogen CDU und SPD 2023 in den Wahlkampf. »Damals wurden alle Klimaversprechen auf das Sondervermögen geschoben. Jetzt merken wir: Das geht ja gar nicht«, sagt der Linke-Politiker. Das Klimasondervermögen war kürzlich vom Landesrechnungshof für unzulässig erklärt worden. Gleichzeitig, so Koçak, versuche der Senat, das Berliner Klimaschutzgesetz zu kippen. Dabei müsse die Koalition eigentlich auf eine Abschaffung der Schuldenbremse im Bund drängen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.