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Schock für die Zivilgesellschaft

Seit zehn Jahren wehrt sich Attac gegen die Aberkennung seiner Gemeinnützigkeit. Es geht um mehr als steuerliche Details

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Am 14. April 2014 erstellte das Finanzamt Frankfurt einen Bescheid, der bei der globalisierungskritischen Organisation Attac einschlug wie eine Bombe: Es erklärte die Aktivitäten des Vereins in den Jahren 2010 bis 2012 für nicht gemeinnützig. Attac habe allgemeinpolitische Ziele verfolgt. Das sei mit den Regeln des Gemeinnützigkeitsrechts nicht vereinbar.

Was in Deutschland als gemeinnützig gilt, das regelt die Abgabenordung. Unter Paragraf 52 sind 26 gemeinnützige Zwecke aufgelistet, sie reichen von der Förderung der Religion über den Naturschutz bis zur Denkmalpflege. Die Gemeinnützigkeit ist für Vereine wichtig, weil sie für Steuerbegünstigungen sorgt. Das gilt einmal für die Vereine selbst und auf der anderen Seite auch für Spender*innen. Sie können ihre Zuwendungen von der Steuer absetzen. Spenden sind für sehr viele Vereine die Grundlage für ihre Arbeit.

Deswegen traf die Entscheidung des Finanzamts Frankfurt Attac vor zehn Jahren auch so heftig. Judith Amler vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis erklärte am Mittwoch: »Der Entzug der Gemeinnützigkeit behindert das Engagement von Attac für eine global gerechte Ökonomie. Die Folgen spüren wir jetzt, nach einem Jahrzehnt, auch wirtschaftlich massiv. Attac steht finanziell unter Druck.«

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Dass Amler heute so etwas sagen muss, zeigt, dass es Attac nicht gelungen ist, wieder gemeinnützig zu werden. Dabei hat der Verein juristisch alles versucht. Und dabei zwischendurch auch Erfolge gehabt. Das Hessische Finanzgericht urteilte 2016 positiv über eine Klage. Das Frankfurter Finanzamt wollte das Urteil akzeptieren. Attac wäre wieder gemeinnützig gewesen. Doch dann schaltete sich das Bundesfinanzministerium, noch unter der Führung von Wolfgang Schäuble, ein und verlangte den Gang vor den Bundesfinanzhof. Dieser wiederum entschied, dass das Hessische Finanzgericht noch einmal urteilen müsse, gab den Richter*innen in Kassel aber drei Hinweise mit auf den Weg, die dazu führten, dass im Frühjahr 2020 gegen Attac geurteilt wurde. Ein diesmal von Attac angestrebter Gang vor den Bundesfinanzhof blieb erfolglos.

Der juristische Streit um die Gemeinnützigkeit von Attac hinterlässt zwei offene Enden. Eins davon könnte bald geklärt sein. Am 18. April wird vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eine Klage verhandelt, bei der Attac verlangt, dass Dokumente des Bundesfinanzministeriums herausgegeben werden. Der Verein vermutet eine politische Einflussnahme durch das Ministerium und personelle Verflechtungen zum Bundesfinanzhof.

Das andere offene Ende ist eine Verfassungsbeschwerde, die Attac vor drei Jahren eingereicht hat. Dazu sagte Professor Andreas Fisahn, der die Organisation vor dem Bundesverfassungsgericht vertritt, am Mittwoch bei einem Pressegespräch: »Angesichts der großen Bedeutung der Vereinigungsfreiheit in einer pluralistischen Demokratie kann man das Gemeinnützigkeitsrecht – also die Abgabenordnung – verfassungskonform kaum so auslegen, dass die Absicht, auf die politische Meinungsbildung des Volkes Einfluss zu nehmen, ein expliziter Grund ist, eine Gemeinnützigkeit auszuschließen.« Dies habe der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung verkannt. Das sei nicht nur für Attac, sondern für alle demokratisch engagierten Vereine schädlich. Einen Verhandlungstermin für die Verfassungsbeschwerde gibt es bislang nicht.

Was es auch noch nicht gibt, ist eine Änderung der Abgabenordnung. Dabei hatten die Ampel-Parteien diese angekündigt. Das treibt Stefan Diefenbach-Trommer von der Allianz »Rechtssicherheit für politische Willensbildung« um. Die Allianz engagiert sich seit 2015 für ein modernes Gemeinnützigkeitsrecht. Diefenbach-Trommer sagt: »Das Attac-Urteil hatte Schockwellen durch die Zivilgesellschaft gejagt.« Es sei exemplarisch für den Druck auf zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Diefenbach-Trommer kritisiert, dass die Bundesregierung die Abgabenordnung bisher nicht geändert hat. Der Bundesfinanzhof habe bei seiner Entscheidung klar gesagt, wer das Engagement für Demokratie, Menschenrechte oder soziale Gerechtigkeit fördern wolle, müsse diese Zwecke als gemeinnützig festhalten. Das dies noch nicht passiert ist, führe zum Scheitern vieler Vereine. Sein bitteres Fazit: »Engagement für Demokratie oder gegen Antisemitismus wird zwar gelobt und gefordert, aber nicht aktiv gefördert.«

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