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Kein Frieden für den Sudan in Sicht
Die zerstrittenen Generäle Al-Burhan und Hemeti lassen keinerlei Verhandlungswillen erkennen
Sie wissen beide mächtige Unterstützer hinter sich: sowohl die Streitkräfte der regulären Armee (SAF) als auch die paramilitärischen Milizen der Rapid Support Forces (RSF). Die SAF bekommt Waffen aus und über Ägypten, das als verlängerter Arm der USA in der Region agiert, die RSF wird von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) in Kooperation mit Russland mit Waffen eingedeckt.
Die VAE treten seit einigen Jahren im Osten Afrikas als Investor auf und warfen auch ein Auge auf Port Sudan. Just dort hatte der am 11. April 2019 von der SAF und RSF gemeinsam gestürzte Langzeitdiktator Omar Al-Baschir mit Moskau einen russischen Marine-Stützpunkt geplant. Zum Unmut der USA, die Al-Baschirs Nachfolger General Abdel Fattah Al-Burhan erfolgreich dazu drängten, den Russen am 29. April 2021 eine Absage des Stützpunkts zu erteilen. Das gemeinsame Interesse an Port Sudan brachte die VAE und Russland einander näher. Nach Beginn des Krieges am 15. April 2023 zwischen den einstigen Bündnis-Putschisten SAF und RSF verstärkte Abu Dhabi sein Engagement im Sudan und griff dabei auf die Hilfe der russischen Wagner-Gruppe zurück. Die Söldnertruppe lieferte über ihre Einheiten in der Zentralafrikanischen Republik von den Emiraten bezahlte Waffen an die RSF von Al-Burhans Gegenspieler Mohammad Hamdan Daglo, genannt Hemeti.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Taktische Machtteilung der Generäle
Al-Burhan und Hemeti hatten sich bis zum 15. April 2023 die Macht geteilt, bis sie der Streit über das Übergangsabkommen, das die Eingliederung der paramilitärischen RSF in die Armee vorsah, entzweite: der Ausgangspunkt des Krieges, der kein Bürgerkrieg ist, weil sich militärische und paramilitärische Truppen bekämpfen, während die Bürger*innen zwischen den Fronten stehen und verzweifelt versuchen, zu überleben.
»Im Moment kann ich bei den Konfliktparteien keine Bereitschaft erkennen, den Krieg zu beenden«, sagte der Konfliktforscher Gerrit Kurtz von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) dem Evangelischen Pressedienst. In dem afrikanischen Land werde an verschiedenen Orten gekämpft, am heftigsten weiterhin in und um die Hauptstadt Khartum. Hinzu komme, dass sich »mehr und mehr bewaffnete Gruppen und Milizen einer der Parteien anschließen und Teil des Krieges werden«.
Demokratiebewegung hat keine Chance
Die SAF und die RSF waren immer nur taktische Bündnispartner, sowohl beim Sturz von Al-Baschir im April 2019 als auch beim Putsch gegen die Übergangsregierung des Zivilisten Abdullah Hamdok am 15. Oktober 2021. Sowohl die SAF als auch die RSF wollten die Demokratiebewegung vereinnahmen, indem sie sich als legitime Vertreter der Bevölkerung gegen die Diktatur ausgaben, die sie bis dato gestützt hatten. Die Demokratiebewegung ging diesem durchsichtigen Manöver nicht auf den Leim und zahlte dafür einen hohen Preis: Allein in der Zeit vom Putsch im Oktober bis zur De-facto-Anerkennung der Putschregierung durch die USA sind mindestens 64 unbewaffnete Demonstrant*innen getötet worden, der 65. dann just während des Stelldicheins der Delegation der US-Regierung unter Führung von Michelle Phoe, der Unterstaatssekretärin für afrikanische Angelegenheiten. Dass die von Al-Burhan und Hemeti geführte Übergangsregierung unzählige Aktivist*innen der Demokratiebewegung verhaften ließ, wurde geflissentlich übersehen.
Dabei war es die Demokratiebewegung, die mit ihren mutigen Straßenprotesten die Diktatur von Al-Baschir in Bedrängnis und Al-Burhan und Hemeti in Zugzwang brachten, Al-Baschir zu stürzen. Doch beiden ging es von Anfang nicht um einen Übergang zu einer demokratischen Gesellschaft, sondern um die Sicherung der eigenen Macht- und Profitinteressen. Al-Burhan kontrolliert über die Armee zahlreiche Industriekonzerne, darunter Rüstungsfirmen, sowie einen Großteil des Ackerlands im Sudan. Hemeti gilt als der König des Goldes und hat mit den RSF Zugriff auf lukrative Goldminen. Gold ist nach der Abspaltung des ölreichen Südsudans inzwischen zum wichtigsten Exportgut aufgestiegen. Die sprudelnden Einnahmequellen ermöglichten es beiden, ihre Truppen in den vergangenen Jahren massiv aufzurüsten.
Hemeti war Handlanger von A-Baschir
Die RSF wurden von Al-Baschir 2013 ins Leben gerufen. Als Oberkommandant benannte Al-Baschir Mohammad Hamdan Daglo alias Hemeti, der diesen Rufnamen Al-Baschir verdanken soll, denn im sudanesischen Arabisch steht das für »mein Beschützer«. Als Handlanger für Al-Baschir erwarb sich Hemeti im Darfur-Krieg ab 2003 Lorbeeren. Anerkannt im arabisch-islamistischen Machtzirkel in Khartum wurde Hemeti, der aus einer arabischstämmigen Familie im Nachbarland Tschad stammt, die nach Darfur ausgewandert ist, nicht, sondern als provinzieller Gharraba (Abschaum) verspottet. In Darfur gilt er wiederum als die »eiserne Hand Khartums«, die nicht arabische Ethnien unterdrückt und massakriert.
Hemeti hat der islamistischen arabischen Elite in Khartum den Kampf angesagt. Al-Burhan versucht deren Interessen bedingungslos zu verteidigen – aus Port Sudan, denn die Hauptstadt Khartum ist längst in den Händen der RSF.
Alle Vermittlungsversuche von Uno und Afrikanischer Union sind gescheitert. In den von den USA und Saudi-Arabien initiierten Gesprächen, die im Mai 2023 im saudischen Dschidda aufgenommen wurden, konnte hin und wieder ein Waffenstillstand ausgehandelt werden, der dann umgehend wieder gebrochen wurde. Nichts spricht dafür, dass sich daran schnell was ändert.
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