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Tesla: »Das wird uns schlank und hungrig machen«
Wie das System Tesla funktioniert und warum Entlassungen allein es nicht retten
In den vergangenen Wochen ist die Aktie des Elektroautobauers Tesla abgestürzt, wodurch Tesla-Gründer Elon Musk vom reichsten zum nur noch viertreichsten Menschen der Welt abgestiegen ist. Allein seit Jahresbeginn hat ihn der Tesla-Aktiencrash um 55 Milliarden Dollar ärmer gemacht. Um seine Ertragslage und vor allem den Aktienkurs zu stabilisieren, hat Tesla nun angekündigt, zehn Prozent seiner Mitarbeiter weltweit zu entlassen. »Das wird uns schlank, innovativ und hungrig für die nächste Wachstumsphase machen«, schrieb Musk in einer Mitteilung an die Belegschaft. Bei der Stabilisierung des Aktienkurses geht es um weit mehr als bloß um die Bereicherung des Tesla-Chefs.
Dass sich bei dem E-Autobauer alles um die Börsenbewertung dreht, gehört von Anfang an zum System Tesla. Als Start-up konnte Tesla seine Expansion nicht – wie die etablierten Autobauer – durch Einnahmen aus dem Verkauf von Verbrenner-Autos finanzieren. Zentrale Geldquelle war dagegen der Verkauf von Tesla-Aktien an Risikokapitalgeber. Die finanzielle Basis von Tesla bestand also nicht in vergangenen Verkaufserfolgen, sondern in der Hoffnung auf kommende Verkaufserfolge, die sich im Aktienkurs niederschlug.
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Tesla verkauft keine Autos, hieß es in den Anfangsjahren, Tesla verkauft Aktien. Der Zuspruch der Finanzmärkte verschaffte dem E-Autobauer die Mittel für seine Expansion: In schneller Folge wurden immer neue Gigafactories hochgezogen, zwischen 2014 und 2020 verzehnfachte sich der Umsatz, seither hat er sich noch einmal verdreifacht, genauso wie die Belegschaft. Gewinne fielen lange aus, bis 2019 machte Tesla vielmehr Verluste. Doch das störte die Kapitalgeber nicht. Denn ihr Ertrag bestand nicht in einer Gewinnbeteiligung, sondern im steigenden Aktienkurs von Tesla, der sie reich machte. Seine Aktien nutzte Tesla zudem dazu, seine Lohnkosten zu senken, indem es Teile der Belegschaft in Aktien anstatt Geld bezahlte.
Erst ausgeben, dann erwirtschaften
So wurde die FDP-Logik »Man kann nur ausgeben, was man vorher erwirtschaftet hat« umgedreht: Je höher der Aktienkurs stieg, umso mehr Geld konnte Tesla durch Aktienverkäufe einnehmen, um immer mehr Autos und Fabriken zu bauen, die den Aktienkursanstieg rechtfertigen sollten. Das ist durchaus riskant. »Dieses Modell ähnelte zunehmend einem Schneeballsystem«, urteilte im Jahr 2018 das Wirtschaftsmagazin »Capital«. »Geld wird zwar noch keins verdient, aber durch immer neue faszinierende Ankündigungen werden die Anleger dazu gebracht, ständig frisches Kapital ins Unternehmen zu schießen…« Musks großes Problem aber sei, so »Capital«, dass »im Grunde sein Masterplan nie funktioniert hat – und er funktioniert bis heute nicht.« Der Automobil-Altstar Bob Lutz, einst Top-Manager bei Chrysler, Ford und General Motors, sagte dem Unternehmen gar den baldigen Bankrott voraus.
Entscheidend für Musk wie für Tesla war daher das Management der Investorenerwartungen. Denn »wenn Investoren irgendwann zu dem Schluss kommen, dass die versprochenen Gewinne ausbleiben, wird unsere Aktie sofort zerstört wie ein Soufflé unter einem Vorschlaghammer«, schrieb er 2020 in einer Mail an die Mitarbeiter.
Doch der Hammer fiel nicht, die Spekulanten hielten Musk die Treue. Denn er präsentierte ihnen Aussichten, die gut genug waren, um auf weiter steigende Aktienkurse zu spekulieren. Wesentliche Rolle spielte dabei der Personenkult um den Unternehmensgründer. »Tesla ist viel mehr als ein Elektroautobauer, einfach wegen Elon Musk«, kommentierte jüngst Matthew Tuttle vom US-Vermögensverwalter Tuttle Capital Management. »Elon rechtfertigt weit höhere Aktienbewertungen!« Wobei diese hohen Aktienbewertungen Musk erlaubten, durch den Verkauf seiner Tesla-Aktien Abermilliarden einzunehmen, um sie in andere Geschäftsfelder zu investieren – vom Twitter-Kauf über das Satelliten-Unternehmen Space-X bis zu Plänen zur Besiedlung des Mars – und damit den Märkten immer neue Wachstumsversprechen zu liefern.
Inzwischen ist das System Tesla allerdings ins Stocken geraten. Ende 2021 erreichte der Aktienkurs seinen bisherigen Gipfel, seitdem geht es tendenziell bergab, in den vergangenen Monaten beschleunigt. Zwar macht das Unternehmen inzwischen Gewinn. Woran es jedoch mangelt sind Aussichten auf exorbitant steigende Gewinne. Denn die Konkurrenz durch chinesische Hersteller und etablierte Autokonzerne wie Volkswagen wächst, Tesla fehlen neue und vor allem billigere Modelle. Gleichzeitig lässt die Nachfrage nach E-Autos nach, insbesondere in den USA gelten sie als zu teuer. Tesla reagierte darauf mit Preissenkungen und entfachte einen regelrechten Preiskrieg, den alle Autobauer mitmachten, um das Terrain nicht der Konkurrenz zu überlassen. In der Branche zählt derzeit weniger der Gewinn, sondern die Masse, die Kostensenkungen erlaubt.
Die Folge: Teslas Gewinn schrumpfte 2023 um vier Milliarden auf nur noch zehn Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Mercedes machte vergangenes Jahr mehr als doppelt so viel Gewinn wie Tesla, dessen Börsenwert aber immer noch fast sechs Mal höher ist als der von Mercedes. Das zeigt: Im Tesla-Aktienkurs steckt immer noch sehr viel Hoffnung und das bedeutet: die Forderung der Finanzmärkte an Tesla, ihre Hoffnungen auch zu erfüllen.
Die Rolle der "hart arbeitenden Menschen"
Diese Forderung richtet sich an Tesla – und letztlich an jene, die heutzutage »hart arbeitende Menschen« genannt werden. Denn was die Kalkulationen des Autobauers wie auch der Finanzmärkte aufgehen lässt, ist billige, rentable Arbeit. In der Folge wächst der Leistungsdruck in den Tesla-Fabriken. 2022 feuerte der Konzern zehn Prozent der Belegschaft, und nun sollen es noch einmal zehn Prozent weniger werden. Konzernweit wären das 14 000 Stellen, in Grünheide trifft es zunächst 300 Leiharbeitende.
Der verbleibende Rest der Belegschaft soll produktiver werden, was bedeutet: mehr Umsatz pro Stunde und Tag. »Es ist äußerst wichtig, jeden Aspekt des Unternehmens auf Kostensenkungen und Produktivitätssteigerungen zu überprüfen«, schrieb Musk an die Belegschaft. »Es gibt nichts, was ich mehr hasse, aber es muss getan werden.« Das mit dem »hassen« ist möglicherweise wahr. Denn die Entlassungen zeigen, dass Teslas Wachstumsstory Schaden genommen hat. Als Reaktion auf den Jobabbau stieg der Aktienkurs nicht etwa, sondern fiel um weitere drei Prozent.
Tesla muss nun darauf hoffen, dass die Entlassungen die Anlegererwartungen und damit den Aktienkurs stabilisieren. Ein wichtiger Termin steht kommende Woche an: Am Dienstag legt der Autobauer neue Geschäftszahlen vor. Aktienanalyste Emmanuel Rosner von der Deutschen Bank ist pessimistisch: Die Tesla-Aktie könnte weitere 20 Prozent fallen.
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