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Brandenburg: Rekord politischer Delikte erwartet
Schon in den ersten Monaten des Jahres der Europa-, Kommunal- und Landtagswahlen stiegen die Fallzahlen in Brandenburg an
Im Land Brandenburg ist die Zahl politisch motivierter Straftaten im vergangenen Jahr um 8,4 Prozent gesunken, »verbleibt aber auf hohem Niveau«, wie Innenminister Michael Stübgen (CDU) am Freitag in Potsdam mitteilte. In den ersten Monaten des laufenden Jahres sei die registrierte Zahl solcher Delikte aber schon wieder gestiegen, sagte er.
Innenminister Stübgen rechnet angesichts dessen für das Jahr 2024 mit einem Rekordwert. Denn am 9. Juni sind in Brandenburg Kommunal- und Europawahlen und am 22. September folgt die Landtagswahl – und die Erfahrung lehrt, dass die politisch motivierte Kriminalität in einem Wahljahr stets zunimmt.
»Mehr Straftaten bedeuten mehr Arbeit für die Polizei«, sagte Stübgen. »Diese Entwicklung lässt für mich nur einen Schluss zu: Unsere Polizei muss auch in Zukunft personell weiter deutlich gestärkt werden.« Schon 2023, als in Brandenburg nur vereinzelt einige Bürgermeister und Landräte gewählt wurden, war die Zahl der Übergriffe auf Amts- und Mandatsträger von 168 auf 213 geklettert. Opfer waren zumeist Politiker der Grünen, der SPD und der FDP. Die anderen Parteien traf es viel seltener. Die Linke erwischte es nur ein einziges Mal. Das ist nach Angaben des Innenministers nicht ungewöhnlich. Attackiert werden ihm zufolge immer vornehmlich die Parteien, die auf Bundesebene die Regierungskoalition bilden.
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Insgesamt zählte die Polizei im vergangenen Jahr 4018 politisch motivierte Straftaten. Davon gingen 2475 Fälle auf das Konto des rechten Spektrums – 21 Prozent mehr als im Jahr zuvor.
Noch mehr wären es, wenn bei solchen Straftaten diejenigen von Kindern mitgezählt werden würden. Denn die als politisch zu wertenden Delikte der unter 14-Jährigen hätten sämtlich dem rechten Sektor zugeordnet werden müssen, erläuterte Polizeipräsident Oliver Stepien. Kindern wird aber für die statistische Erfassung noch keine verfestigte politische Einstellung zugebilligt. Für den Polizeipräsidenten bleibt in Brandenburg die Bekämpfung des Rechtsextremismus »weiterhin eine große Herausforderung«.
Die Zahl der Gewalttaten ist zwar deutlich von 300 auf 174 gesunken. Aber während Linksradikale 61 Prozent weniger Gewalttaten verübten (jetzt noch elf Fälle), schlugen Rechtsextremisten 30 Prozent häufiger zu (inzwischen 117 Fälle).
548 aller politischen Delikte entfallen auf die linke Szene. Das entspricht einen Anstieg um 136 Prozent und erklärt sich vor allem damit, dass militante Aktionen von Umweltgruppen wie Extinction Rebellion (29 Fälle) und Letzte Generation (acht Fälle) grundsätzlich dem linken Spektrum zugeordnet werden. Vielfach haben Umweltaktivisten Luft aus den Reifen parkender Autos gelassen. 678 Fahrzeuge waren betroffen. Die Zahl sogenannter Klima-Delikte schoss von 85 auf 404 hoch.
»Die Bilanz der politisch motivierten Kriminalität für das vergangene Jahr ist ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Entwicklungen in Brandenburg und weit darüber hinaus«, stellte Innenminister Stübgen fest.
So registrierte die Polizei nach 195 antisemitischen Straftaten im Jahr 2022 nun im vergangenen Jahr 284 solcher Straftaten – allein 91 davon nach dem 7. Oktober, als die palästinensische Hamas bei einem Terrorangriff ein Massaker an Zivilisten verübte und 240 Geiseln entführte, worauf Israel mit der Bombardierung des Gaza-Streifens reagierte, was bis jetzt Zehntausende Todesopfer forderte. 193 der 284 antisemitischen Delikte in Brandenburg konnten aufgeklärt und 123 Tatverdächtige ermittelt werden.
Die Aufklärungsquote bei sämtlichen politischen Straftaten stieg von 48 auf 51 Prozent. Der Innenminister erklärte das damit, dass die Corona-Pandemie im vergangenen Jahr vorüber war. Zuvor hatte es die unangemeldeten Spaziergänge gegen die Corona-Maßnahmen gegeben. Dabei konnten die Polizisten vor Ort oft niemanden als Veranstalter identifizieren und dingfest machen.
- Die Zahl der gegen Asylbewerber verübten Straftaten, die allesamt auf das Konto der rechten Szene gehen, ist im Jahr 2023 von 178 auf 285 gestiegen. Damit hat sie aber immer noch nicht den Höchststand der Jahre 2015 und 2016 erreicht. Damals waren sehr viele vor allem syrische Kriegsflüchtlinge im Bundesland angekommen.
- Übergriffe auf Asylheime hatte es 2021 und 2022 überhaupt keine mehr gegeben, nun ereigneten sich wieder sieben solcher Vorfälle. Im Jahr 2016 waren es mehr als 70 gewesen.
- Nach 201 Fällen von Hass und Hetze im Internet im vorangegangenen Jahr waren im vergangenen Jahr 433 Fälle zu verzeichnen. Im Jahr 2017 waren es noch deutlich weniger als 100 Fälle gewesen.
- Die Zahl der von religiösen Fanatikern verübten Delikte stieg von 25 auf 41, spielt aber auch damit in Brandenburg immer noch eine geringe Rolle. af
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