DEG: Öffentliche Kredite für private Rendite

Für die deutsche Entwicklungsbank DEG sind entwicklungspolitische Ziele de facto nachrangig

Es ist eine Zeitenwende der anderen Art: »In nur vier Jahren der Ampel-Regierung von 2021 bis 2025 werden die Haushaltstitel für Entwicklungszusammenarbeit um historische 25 Prozent zurückgehen.« Diese dramatischen Zahlen offerierte die Bundestagsabgeordnete Cornelia Möhring von der Linken gleich zu Beginn des Fachgespräches über die Rolle von Entwicklungsbanken und Privatwirtschaft in der Entwicklungszusammenarbeit, das am Mittwochabend unter dem Dach der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin geführt wurde: »Blackbox Entwicklungsfinanzierung. Wie Deutschlands Entwicklungsbank DEG soziale Ungleichheit und Klimakrise im Globalen Süden vertieft.«

Bekanntlich hat der deutsche Kanzler Olaf Scholz beim Ausrufen der Zeitenwende 2022 nach Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine ein einmaliges Sondervermögen von 100 Milliarden Euro »für notwendige Investitionen und Rüstungsvorhaben« angekündigt. Man stelle sich das für Entwicklungszusammenarbeit vor. Noch 2017 forderte die CSU unter ihrem Entwicklungsminister Gerd Müller den Etat für Entwicklungshilfe parallel zum Verteidigungshaushalt aufzustocken, »mindestens im Maßstab 1:1«. Eine sicher fragwürdige Logik, Zerstörung und Aufbau gleichermaßen zu fördern, unterm Strich jedoch besser als Investitionen in Aufrüstung gegenüber Investitionen in soziale Entwicklung eindeutig zu präferieren.

Kein Sondervermögen für Entwicklung

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In Deutschland werden die öffentlichen Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit zurückgefahren, obwohl auch Deutschland zu den Unterzeichnerstaaten der Agenda 2030 der Vereinten Nationen gehört, mit der sich 193 Länder im Jahr 2015 dazu verpflichtet haben, allen Menschen bis 2030 ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen und gleichzeitig die natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft zu bewahren. Die Halbzeitbilanz bei den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDG) fiel 2023 beim UN-Nachhaltigkeitsgipfel erschreckend aus: Nach Angaben der Vereinten Nationen sind die Länder nur bei 15 Prozent der Zielvorgaben im Plan. Bei den übrigen 85 Prozent sind die Fortschritte unzureichend oder die Entwicklung verläuft sogar in die falsche Richtung. Das gilt unter anderem für die Ziele zur Armutsbekämpfung, zur Reduzierung von Ungleichheiten und zum Schutz der biologischen Vielfalt.

Die Zauberformel, mit der trotz sinkender Mittel für Entwicklungszusammenarbeit die SDG doch noch erreicht werden sollen, ist aus Sicht der Bundesregierung die Förderung von Public Private Partnershops (PPP), öffentlich-privaten Partnerschaften, bei denen mit öffentlichen Geldern private Vorhaben gefördert werden, die Entwicklungsziele verfolgen – zumindest auf dem Papier. Eine zentrale Rolle darin spielt in Deutschland die DEG, die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft. Diese Entwicklungsbank gehört zu 80 Prozent dem Bund und zu 20 Prozent den Ländern, ist damit komplett öffentlich. Die Tochtergesellschaft der öffentlichen Bankengruppe KfW, einstmals Kreditanstalt für Wiederaufbau (der BRD), fördert in Afrika, Asien und Lateinamerika private Investitionen mittels Kapitalbeteiligungen, wenn sie Entwicklungsziele verfolgen. Seit ihrer Gründung 1962 steht die DEG wegen intransparenter Kreditvergabe regelmäßig in der öffentlichen Kritik, etwa wegen der Finanzierung von Unternehmen, die Landraub und Vertreibung vorantreiben, oder durch Kreditvergabe an Banken mit Sitz in Steueroasen.

Die Wirklichkeit hinter den PPP ist nicht selten düster; erst recht, wenn die DEG mit im Boot sitzt. Das wurde im Fachgespräch mehr als deutlich. Anna Marriott von der britischen Nichtregierungsorganisation Oxfam stellte die Ergebnisse der Studie »Sick Development« vor. Die Studie zeige, dass auch über DEG Gelder in profitorientierte Projekte geflossen sind, deren Leistungen für den Großteil der Menschen in den jeweiligen Ländern unerschwinglich bleiben. In Kenia seien in einer mit DEG-Geldern geförderten Privatklinik 37 Patienten als Geiseln gehalten worden, bis sie ihre Rechnungen beglichen hätten, darunter ein Mittelstufenschüler ganze elf Monate. In anderen DEG-geförderten Projekten in Uganda oder Indien sei armen Menschen die Nothilfe versagt geblieben, auch während der Covid-Pandemie. Das würde dem dritten Entwicklungsziel zur Gesundheit, dem die DEG pro forma verpflichtet sei, widersprechen: Alle Menschen sollen Zugang zu grundlegenden Gesundheitsdiensten haben, ohne in finanzielle Nöte zu geraten.

DEG treibt nicht nur im Gesundheitswesen ihr Unwesen

Zur Entlastung der DEG konnte auch der indische Gesundheitsexperte Abhay Shukla nichts beitragen, Mitautor der von der RLS geförderten Studie »Für Gesundheit oder Profite? Eine Analyse des Engagements deutscher Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit im privaten Gesundheitssektor Indiens«. Shuklas Fazit: »Wenn man den Reichen etwas gibt, hilft man den Armen nicht.« Mit deutscher Kapitalhilfe sei aus einem privaten 25-Betten-Krankenhaus im Jahre 2006 in Indien eine private Krankenhauskette mit über 1300 Betten 2022 geworden, beschreibt Shukla die Folgen des Investments. Und den Ärzten sei ab 2013 untersagt worden, bedürftigen Kranken ohne Zustimmung des Managements Preisnachlässe zu gewähren. Für Shukla ist klar: »Indien braucht keine Förderung der privaten Kliniken, Indien braucht eine Förderung des öffentlichen Gesundheitssektors.«

Nicht nur im Gesundheitssektor betreibt die DEG ihr Unwesen. Die investigative Reporterin Gesa Steeger vom Recherchenetzwerk Correctiv stellte ihre Erkenntnisse aus Paraguay vor, wo sie 2023 zusammen mit der lokalen Medienplattform El Surtidor DEG-Finanzierungen unter die Lupe genommen hat. Der von der DEG geförderte Agrarkonzern PAYCO sei zwischen 2013 und 2020 für die Entwaldung von mindestens 7000 Hektar im Chaco verantwortlich – 10 000 Fußballfeldern, führte sie zur Veranschaulichung aus. Damit hat die DEG der Zerstörung der Biodiversität vor Ort und Monokulturen Vorschub geleistet. Das steht im Widerspruch zu den Zielen deutscher Entwicklungszusammenarbeit, denen die DEG als öffentliche Entwicklungsbank verpflichtet ist.

Cornelia Möhring hat im Bundestag bisher vergeblich Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) dazu aufgerufen, sämtliche DEG-Finanzierungen zu prüfen und die Ergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der Experte für Entwicklungsbanken bei der Organisation Urgewald, Dustin Schäfer, sieht nur in einer besseren Kontrolle der DEG einen Ausweg aus der Misere. Formal sei die DEG bereits jetzt entwicklungspolitischen Zielen laut ihrer Satzung verpflichtet, vor allem Umwelt- und Sozialstandards. Transparenz bei der Finanzmittelvergabe, eine Stärkung des Aufsichtsrates, damit er Einfluss auf das operative Geschäft erhalte, eine Berichtspflicht gegenüber dem Parlament und eine Stärkung des Beschwerdemechanismus für Geschädigte hält Schäfer für unumgängliche Schritte. In Sicht sind sie noch nicht. Mehr öffentlicher Druck ist auch in Sachen Blackbox Entwicklungsfinanzierung die Bedingung, ohne die nichts geht.

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