Bochum: Vorabendrevolution mit Hindernissen

Walpurgisnacht verlief bundesweit ruhig – Demoabbruch in Bochum

Nichts geht mehr in Bochum: Die Polizei hat die Demonstration gestoppt.
Nichts geht mehr in Bochum: Die Polizei hat die Demonstration gestoppt.

Dienstagabend, 22 Uhr, in Bochum. 2000 vorwiegend junge Linke stehen dicht gedrängt in einer Straße in der Innenstadt. Vor und hinter ihnen behelmte Polizist*innen. Martin Budich steht zwischen der ersten Reihe der angehaltenen Demonstration und den Beamt*innen. Der Herr im Rentenalter versucht zu deeskalieren. Ein paar Augenblicke später steht Budich nicht mehr dort. Die Polizei will ihn dort nicht haben, sie hat dem Mann einen Platzverweis erteilt.

Das ist bemerkenswert. Budich ist so etwas wie das Gesicht der linken Zivilgesellschaft in Bochum. Seit Jahrzehnten gehört er zahlreichen Initiativen an, ist in der Stadt respektiert. Aber Beruhigungsversuche und Dialog sind nicht im Interesse der Polizei. Der linken Demonstration soll offensichtlich gezeigt werden, nach wessen Regeln hier demonstriert wird: nach den Regeln des Staates. Den Veranstalter*innen der Demonstration von der Antifaschistischen Linken Bochum (ALB) blieb an diesem Tag nur eins übrig: die Demonstration abzubrechen: »Wir haben uns aus Verantwortungsbewusstsein dafür entschieden, die Demo zu beenden, wir wollten die Teilnehmer*innen nicht weiter gefährden.«

Bundesweit ruhig

Seit neun Jahren gibt es in Bochum eine Demonstration am 30. April. Damals wollten Nazis am 1. Mai in der Ruhrgebietsstadt marschieren. Um den Neonazis nicht die Deutungshoheit über den Tag zu überlassen, entschied man sich, am Vorabend eine eigene inhaltliche Demonstration zu veranstalten. Daraus ist mittlerweile eine kleine Tradition geworden. Von Jahr zu Jahr wurde die Bochumer Demo größer und zum Anziehungspunkt für linke Gruppen aus weiten Teilen Nordrhein-Westfalens. »Wir gehen davon aus, dass gerade in Zeiten von zunehmenden Krisen eine wirkliche Alternative zu Rassismus, Nationalismus, Ausbeutung und Krieg präsent sein sollte«, erklärt Clara Fischer die Motivation für die jährliche Demonstration.

Der Grund für die Polizei, am Dienstagabend die Demo zu stoppen: Pyrotechnik und ein paar Böller. In anderen Bundesländern verbucht die Polizei so etwas als ruhigen Verlauf. In Hamburg demonstrierten etwa 1800 Menschen bei einer feministischen Demonstration durch das Schanzenviertel nach St. Pauli. Das Fazit eines Polizeisprechers gegenüber dem NDR: »Nur ein paar Bengalos und Nebeltöpfe – ansonsten blieb alles ruhig.« Ruhig blieb es auch in anderen Städten wie Leipzig, in denen es Vorabenddemonstrationen gab.

Nahost-Konflik im Ruhrgebiet

Zurück nach Bochum. Für Aufregung sorgte nicht nur die Polizei. Früher am Abend wurden etwa 150 Demoteilnehmer*innen ausgeschlossen. Der Grund: der Nahost-Konflikt. Die Demo-Organisator*innen hatten im Vorfeld öffentlich kommuniziert, dass sie keine antisemitischen oder rassistischen Parolen dulden würden und dass sie nicht wollen, dass sich geschlossene Blöcke bilden. Anhänger*innen mehrerer marxistisch-leninistischen Jugendgruppen bildeten einen eigenen Block und brachten dort vor allem ihre Verbundenheit mit Palästina zum Ausdruck. »From the river to the sea«- und »Intifada«-Sprechchöre, Transparente, auf denen von einem »Genozid« in Gaza die Rede war, und die Präsenz von Gruppen, die von den Organisator*innen als antisemitisch eingeschätzt werden. Den Block wollten die Organisator*innen und viele Demonstrierende nach der ersten Kundgebung nicht mehr dabei haben.

»Das einzige Anliegen des letzten Blocks war, eine Palästina-Demo in die traditionelle revolutionäre Vorabenddemo hineinzutragen. Teilnehmende dieses Blocks hatten ihre Teilnahme zuvor in den sozialen Medien als Provokation angekündigt«, erklärt Clara Fischer die Motivation für den Ausschluss. Nach hitzigen Wortgefechten verließ der Block die Demonstration und führte eine eigene Spontandemonstration durch.

Über all diesen Problemen wären die Anliegen der Demonstration fast in den Hintergrund geraten. »Unser Zusammenhalt gegen ihre Dystopie«, war das Motto der Demonstration. Der Aufruf beschäftigte sich vornehmlich mit dem Erstarken der AfD und anderer autoritärer Kräfte. Zu viel Antifa für den sozialrevolutionären Kampftag? Clara Fischer findet nicht: »Eine rechte Machtübernahme ist für Millionen von Menschen eine ganz konkrete Bedrohung.«

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