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Buch »Neuwald«: Dem Tesla-Wald beim Wachsen zusehen
Uwe Rada hat ein Buch über die bei Grunow erfolgte Ersatzpflanzung für die Autofabrik geschrieben
Uwe Rada ist seit 30 Jahren »Taz«-Redakteur in der Hauptstadt und hat dort eine Wohnung. Er hat aber auch einen Wohnsitz im ostbrandenburgischen Grunow. Schließlich leitet seine Frau Inka Schwand im Landkreis den Naturpark Schlaubetal. Von Grunow sind es 20 Kilometer bis zur polnischen Grenze. Die Berliner Innenstadt ist 90 Kilometer entfernt, die Tesla-Autofabrik in Grünheide 60 Kilometer.
Eines Morgens im Sommer 2021 sieht Rada vor seinem Fenster schweres Gerät vorfahren. Er recherchiert, dass rund um Grunow auf 520 Hektar ein Wald aufgeforstet werden soll – als Ausgleichsmaßnahme für die in Grünheide auf 302 Hektar für die Tesla-Fabrik gefällten Bäume. Keine schlechte Bilanz, denkt sich Rada. Zwar ist der Forst in Grünheide vielen Anwohnern bei Spaziergängen lieb und teuer geworden. Zwar führt dort selbst eine Befürworterin der aktuell umstrittenen Werkserweiterung ihren Hund Gassi, die zuerst an ihren in der Fabrik beschäftigten Sohn denkt. Zwar harren Aktivisten in einem Protestcamp mit Baumhäusern in dem für sie so wunderschönen Wald aus. Doch eigentlich ist diese Kiefernmonokultur schlecht gewappnet gegen die mit dem Klimawandel einhergehende Hitze und Trockenheit. Sie kann bei einem Sturm leichter zu Bruch gehen, einem Waldbrand nicht gut standhalten. Mit alldem kommt ein Mischwald aus Eichen, Ahorn und Buchen wie im Ersatzwald bei Grunow besser klar. Aber warum dann nicht gleich die robuste Libanon-Zeder?
Uwe Rada hat das, was bei Grunow entsteht, Teslawald getauft und zum Ausgangspunkt für sein neues Buch »Neuwald« gemacht. Er stellt darin viele Fragen und gibt einige Antworten. Der Wald der Zukunft ist Forschungsgegenstand und Experimentierfeld. Mit Wissenschaftlern von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde hat der Autor über ihre Erkenntnisse gesprochen, mit Förstern über ihre Erfahrungen.
Landwirt Axel Behmann, der den Teslawald verantwortet, würde es gern mit der Libanon-Zeder versuchen. Doch die Naturschutzbehörde lässt nur heimische Gehölze zu, und auch die Flächenagentur fördert keine anderen. Behmann wird nach Erfolg bezahlt. Eine gewisse Ausfallquote ist ihm gestattet. Sterben zu viele Setzlinge ab, muss er welche nachpflanzen. Er hat sich auf dieses finanzielle Risiko eingelassen.
Uwe Rada besucht ganz verschiedene Neuwälder in Brandenburg, die auf den Kippen ehemaliger Tagebaue oder auf Truppenübungsplätzen entstanden sind oder entstehen sollen. Er geht auch der Frage nach, ob ein abgebrannter Wald wieder aus den Wurzeln hochschießt, wenn man das Totholz liegen lässt. Auf so einer Versuchsfläche bei Jüterbog ist er dabei, als ein Forstwissenschaftler 43,9 Grad im Boden misst und gesteht, bei so einer Temperatur könne das nichts werden.
Auch den Miniwald auf dem Freigelände einer Kita in Frankfurt (Oder) besichtigt Rada und trifft sich mit Tabea Selleneit vom Verein Miya, der diesen und 17 weitere Miniwälder in Brandenburg zustande brachte. Tiny Forest werden sie neudeutsch beziehungsweise englisch bezeichnet, obwohl das Konzept von Akira Miyawaki stammt, einem Biologen, der in den 70er Jahren die ersten Miniwälder in japanischen Städten pflanzte.
Die Miniwälder sind viel zu klein, um so viel CO2 zu binden, dass dies den Klimawandel aufhalten würde. Aber Uwe Rada glaubt sowieso nicht, dass die Aufforstung selbst großer Wälder ein Rezept gegen die Erderwärmung ist und die Menschheit von der Pflicht entbinden könnte, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Schon 2020 war ein neun Jahre zuvor gefasstes Ziel kläglich verfehlt worden. Statt 150 Millionen Hektar, die bis dahin weltweit aufgeforstet werden sollten, waren es lediglich 27 Millionen geworden. Außerdem wird immer noch Regenwald für die Landwirtschaft abgeholzt. Lediglich China kommt mit seinem Aufforstungsprogramm nennenswert voran.
Rada erzählt, wie er sich eine Neuwaldbewegung vorstellt: Nicht von oben verordnet, sondern von unten wachsend – und sie soll keine Entschuldigung für das Unterlassen anderer Klimaschutzmaßnahmen sein, sondern eine Zugabe. Auch sollte mehr Wald in staatlichem statt privatem Eigentum sein.
Radas Buch ist sehr gut geschrieben. Man fühlt sich von ihm mitgenommen auf Aussichtspunkte wie den sogenannten Generalshügel. Von da aus wurde 1970 das große Manöver »Waffenbrüderschaft« beobachtet, an dem sich alle Armeen der Warschauer Vertragsstaaten beteiligten. Heute lässt Uwe Rada hier immer wieder seinen Blick über die Lieberoser Heide schweifen. Sein Buch »Neuwald« kostet 22 Euro und ist jeden Cent wert.
Uwe Rada: Neuwald, KJM-Buchverlag, 139 S., geb., 22 €.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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