- Politik
- Panama
Panama-Wahlen: »Fast alle Kandidaten setzen auf den Markt«
Carlos Escudero Nuñez über die Wahlen in Panama am 5. Mai
In den vergangenen Jahren gab es in Panama bedeutende soziale Mobilisierungen. In den Umfragen zur Wahl am Sonntag jedoch liegt der rechte Kandidat José Raúl Mulino deutlich vorne. Woran liegt das?
Mulino ist der Ersatzkandidat für den unternehmensnahen Ricardo Martinelli, der aufgrund einer Verurteilung wegen Geldwäsche nicht antreten darf und in die nicaraguanische Botschaft geflohen ist. Martinelli war bereits von 2009 bis 2014 Präsident und erreichte mit 60 Prozent der Stimmen das mit Abstand beste Ergebnis bei Wahlen nach 1990. Er ist noch immer so populär, dass kein anderer Politiker mit ihm mithalten kann. Im Gegensatz zu ihm hat Ersatzkandidat Mulino kein Charisma. Aber die politischen Parteien sind nach mehreren Korruptionsfällen in den vergangenen Jahren derart diskreditiert, dass Martinelli als Zugpferd ausreicht, um die Umfragen anzuführen.
Was schlägt Mulino im Wahlkampf konkret vor?
Carlos Escudero Nuñez ist Soziologe und Dozent an der Universidad de Panamá. Mit Escudero Nuñez sprach Tobias Lambert.
Das ist ja das Kuriose. Er steht lediglich für die Idee, an die Amtszeit von Martinelli von 2009 bis 2014 anzuknüpfen. Damals lief die Konjunktur trotz der weltweiten Finanzkrise, es gab Investitionen und Beschäftigung. Er stellt den Menschen in Aussicht, dass Sie in Zukunft mehr Geld in der Tasche haben. Ein eigenes politisches Profil hat Mulino nicht.
Insgesamt treten acht Präsidentschaftskandidat*innen an. Welche Themen dominieren ansonsten den Wahlkampf?
Vor allem geht es darum, Arbeitsplätze zu schaffen, die öffentlichen Finanzen aufzubessern und die Korruption zu bekämpfen. Andere wichtige Themen wie das Gesundheitswesen oder die derzeitige Wasserknappheit, die sogar den Devisenbringer Panamakanal beeinträchtigt, kommen kaum zur Sprache.
Panama verzeichnete in den vergangenen 30 Jahren fast durchgehend ein hohes Wirtschaftswachstum. Gleichzeitig zählt es zu den Ländern Lateinamerikas mit der größten Einkommensungleichheit. Warum spielen soziale Themen in der öffentlichen Debatte keine größere Rolle?
Mit der unabhängigen Kandidatin Maribel Gordón gibt es im Wahlkampf nur eine Stimme, die soziale Themen anspricht. Laut Umfragen ist sie jedoch chancenlos. Alle anderen Kandidaten setzen auf den Markt und eine Ankurbelung des Wirtschaftswachstums. Die politische und wirtschaftliche Elite hat seit den 90er Jahren erfolgreich neoliberale Denkmuster verbreitet. Die Bevölkerung wird sich davon nur langsam lösen können. Die Linke ist fragmentiert und befindet sich seit den 90ern in der Defensive. Die traditionellen linken Ansätze, die es etwa an den Universitäten oder in den Gewerkschaften gab, wurden seitdem von den Parteien aufgesogen. Die formal sozialdemokratische Partei PRD steht seit Langem für einen neoliberalen Kurs. Derzeit stellt sie noch die Regierung. Ihr Kandidat liegt in den Umfragen jedoch abgeschlagen hinten.
Die Proteste 2022 und 2023 gehörten zu den größten seit der US-Invasion 1989, die den damaligen Militärherrscher Manuel Noriega stürzte. 2022 gingen die Menschen wegen der hohen Lebenshaltungskosten auf die Straße, im vergangenen Jahr gegen eine Ausweitung des Bergbaus. Wie kam es dazu?
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Schon 2019 gab es Demonstrationen, dann allerdings kam die Pandemie. Bei den Protesten von Mai bis August 2022 standen vor allem sozioökonomische Themen im Vordergrund. Gewerkschafter und Arbeiter forderten eine Verbesserung ihrer Lebenssituation, protestierten gegen die hohen Lebenshaltungskosten und die Verschwendung der Regierung. Auch für bessere Bildung gingen die Menschen auf die Straße. Die Proteste waren teilweise erfolgreich – die Regierung akzeptierte es, die Preise für Benzin und zahlreiche Grundnahrungsmittel einzufrieren.
Und die Proteste gegen den Bergbau von Oktober bis Dezember vergangenen Jahres?
Die waren noch größer. Auslöser war ein Gesetz, das dem Unternehmen Minera Panamá, einer Tochter des kanadischen Konzerns First Quantum Minerals, weitgehende Rechte zur Ausbeutung von Rohstoffen an Land und im Meer gegeben hätte. Im Hintergrund spielten neben der Umweltthematik auch die Unzufriedenheit mit der Regierung und der wirtschaftlichen Lage eine Rolle.
Könnte dies ein Ausgangspunkt für eine künftige breitere Politisierung und Organisierung der Linken sein?
Ich glaube schon. Aber das geht nicht von heute auf morgen, sondern erfordert einen längeren Entwicklungsprozess. Es fehlt an politischer Bildung. Im Parteiensystem sind Unterschiede zwischen rechts und links kaum erkennbar, und die meisten Panamaer können mit diesen Kategorien nicht viel anfangen. Mit Blick auf die Wahlen 2029 brauchen wir eine linke Alternative.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.