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IG BAU: »Jetzt wird gestreikt, und das massiv«
Auf dem Bau könnte erstmals seit über 20 Jahren die Arbeit niedergelegt werden
»Jetzt wird gestreikt, und das massiv.« Das kündigte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft IG BAU, Robert Feiger, an, nachdem die Bauunternehmen in den laufenden Tarifverhandlungen einen Schlichterspruch abgelehnt hatten. Die Gewerkschaft droht damit, »flächendeckend in ganz Deutschland die Betonmischer abzustellen, die Kellen wegzulegen und die Bagger in ihre Parkpositionen zu stellen«.
Nach drei erfolglosen Verhandlungsrunden hatte der Schlichter und ehemalige Präsident des Bundessozialgerichts, Rainer Schlegel, zweistufige Lohnerhöhungen vorgeschlagen. Zum Mai sollten die Entgelte pauschal um 250 Euro steigen. Nach einem knappen Jahr würden noch einmal 4,15 Prozent im Westen und 4,95 Prozent im Osten dazu kommen. Die IG BAU hatte zwar ursprünglich eine pauschale Erhöhung von 500 Euro bei einer Laufzeit von einem Jahr gefordert. Doch sie stimmte dem Schlichterspruch letztlich zu.
Den Unternehmensverbänden ist hauptsächlich die Erhöhung um einen Festbetrag ein Dorn im Auge. Jutta Beeke vom Hauptverband der Bauindustrie (HDB) betont, dass dann einige Lohngruppen zu hohe, andere nur relativ geringe Erhöhungen erhielten. »Das können wir als Arbeitgeber so nicht verantworten.« Die Verbände hatten zwei Gehaltserhöhungen angeboten, eine um 3,3 Prozent für dieses und eine weitere um 3,2 Prozent im kommenden Jahr.
Als Grund für ihre Ablehnung geben die Unternehmen die Baukrise an. Aufgrund von Materialengpässen infolge der Corona-Pandemie, hohen Inflationsraten seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine und der damit verbundenen Zinspolitik der Zentralbanken steht derzeit insbesondere der Hochbau unter Druck.
Im Tiefbau seien die Auftragsbücher dagegen voll, heißt es aus der Gewerkschaft. Und auch im Rest der Branche sei mit einer Erholung zu rechnen, erklärt die IG BAU. Sie will jetzt wieder für ihre Ausgangsforderungen kämpfen. »Die Ablehnung wird den Bauunternehmen noch auf die Füße fallen, denn jetzt kann es nur teurer werden«, gibt sich Gewerkschaftsvorsitzender Feiger kämpferisch. Man wolle große und kleine Betriebe gleichermaßen bestreiken.
Ob das gelingt? Zwar verfügt die IG BAU nach wie vor in den großen und mittleren Betrieben über hohen gewerkschaftlichen Zuspruch. Aber vor allem in den vielen kleinen Unternehmen ist der Organisationsgrad gering. Das betreffe Handwerksbetriebe, aber auch Subunternehmen im Hochbau, die vielfach über Werkverträge beauftragt würden, erklärt Frederic Hüttenhoff von der Universität Duisburg-Essen im Gespräch mit »nd«. Der Soziologe forscht zu den Arbeitsbedingungen in der Branche und hat zuletzt eine Studie über das Werkvertragssystem veröffentlicht.
In den Subunternehmen sind vielfach migrantische Arbeiter aus Osteuropa oder Drittstaaten beschäftigt. Die Fluktuation sei hoch und es gebe in den Herkunftsländern meist keine ausgeprägte Gewerkschaftskultur, erklärt Forscher Hüttenhoff den geringen Organisationsgrad. Die IG BAU ist zwar darum bemüht, das zu ändern. So hat sie als erste und bislang einzige Gewerkschaft eine Jahresmitgliedschaft für Wanderarbeiter*innen eingeführt. Durchschlagenden Erfolg hat sie damit bislang aber nicht.
»Dadurch haben sich Lohnparallelwelten in der Branche entwickelt«, sagt Hüttenhoff. Einerseits gebe es in den großen Unternehmen gute Tarifverträge für die Stammbelegschaften. Aber auf der anderen Seite sind Formen der irregulären Beschäftigung in der Branche verbreitet. »Wir sprechen von überlangen Arbeitstagen«, erklärt der Forscher. Löhne und Überstunden würden teilweise nicht ausgezahlt. Die Arbeit ist körperlich belastend, oft gibt es keine Unfallversicherung oder andere Formen der sozialen Absicherung.
Doch auch, weil in der Branche ein großer Fachkräftemangel herrscht und viele ausgebildete Arbeitskräfte vermehrt abgeworben werden, ist die Verhandlungsposition der Gewerkschaft besser als in den vergangenen Jahren. Das Streikpotenzial der IG BAU sollte man nicht unterschätzen, betont der Soziologe.
Zuletzt wurde in der Baubranche mit ihren über 900 000 Beschäftigten im Jahr 2002 die Arbeit niedergelegt. Das liegt auch daran, dass in einem Rahmentarifvertrag festgelegt ist, dass Arbeitskampfmaßnahmen vor Schlichtungen nicht zulässig sind.
Wann die Ausstände beginnen, ist unklar. Noch diese Woche sei mit Ankündigungen zu rechnen, heißt es aus der Gewerkschaft. Der Branchenverband ZDB war am Montag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, »weil alle beim CDU-Parteitag sind«, wie es im Gespräch mit »nd« heißt.
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