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Rafah-Offensive: Israel startet letzte Vorbereitungen
Vor Militäroffensive beginnt die Armee mit der angekündigten Räumung von Rafah
Am Montagmorgen regnete es in Rafah plötzlich Flugblätter: Vorboten der seit Langem erwarteten, befürchteten israelischen Militäroffensive auf Rafah, wo sich derzeit auf engstem Raum zusätzlich zur einheimischen Bevölkerung rund eine Million Flüchtlinge aus dem Norden des Gazastreifens drängen. Nun soll sich ein Teil dieser Menschen erneut auf den Weg machen: Jene, die sich in den östlichen Stadtteilen Rafahs aufhalten, sollten sich in sogenannte humanitäre Zonen weiter westlich begeben, heißt es auf den Flugblättern, und die Pressestelle des Militärs betont, dass dort Feldlazarette, Zelte und eine sehr viel bessere Versorgung mit Nahrung, Wasser und Medikamenten warten.
Israel sieht die Militäroffensive als alternativlos
Die erste Phase der Rafah-Offensive dürfte damit begonnen haben. Schon vor Wochen war angekündigt worden, dass das Militär keinen Einmarsch in die bevölkerte Stadt vorhat, sondern nach und nach Viertel evakuieren will, bevor dann dort Truppen aktiv werden. Doch ob das weitere Opfer verhindert, die humanitäre Lage verbessert, daran haben nahezu alle westlichen Regierungen Zweifel: Die Forderungen nach einem Verzicht auf die Offensive sind allumfassend. Aus Sicht der israelischen Regierung ist der Einmarsch allerdings alternativlos: Andernfalls würde die Hamas an der Macht bleiben und man hätte die gleiche Situation, die zum Massaker am 7. Oktober 2023 geführt hat, sagte Regierungschef Benjamin Netanjahu wiederholt.
Dass der militärische Arm der Hamas, die Kassam-Brigaden, weiterhin einsatzfähig ist, zeigte sich zuletzt am Wochenende: Bei einem Raketenangriff auf den Grenzübergang Kerem Schalom im Dreiländereck Israel-Ägypten-Gazastreifen wurden drei Soldaten getötet. Abgefeuert wurden die Raketen von Rafah aus.
Der Angriff hatte unmittelbare Auswirkungen auf die Hilfslieferungen: Über Kerem Schalom wird ein erheblicher Teil davon abgewickelt, weil die Anlage sehr viel größer und besser erreichbar ist als der Übergang in Rafah. Nun wurde das Terminal erst einmal wieder geschlossen.
Die Aussicht auf einen baldigen Waffenstillstand ist nun schlecht. Dennoch bemühen sich die Vermittler aus Ägypten und Katar in Kairo weiterhin um einen Durchbruch: Man habe einen Vorschlag auf dem Tisch liegen, der auch vom Politbüro der Hamas positiv gesehen werde, heißt es aus dem ägyptischen Außenministerium. Im Grunde hänge es an den Kassam-Brigaden und an der Gaza-Führung der Hamas. Und auch: An einer Festlegung, wie man mit Israel künftig umgehen will. Die Charta der Hamas ist auf eine Ablehnung der Existenz Israels ausgelegt. Und das kollidiert mit der Frage, wie der Gazastreifen künftig regiert werden soll. Wie der Richtungsstreit ausgehen wird, ist völlig offen und damit auch: Ob vereinbarte Mechanismen zur Sicherung eines Waffenstillstands tatsächlich auf Dauer funktionieren würden.
Unter Druck steht auch die offizielle palästinensische Regierung: Ägypten und die Regierungen auf der Arabischen Halbinsel fordern eine komplette Neuaufstellung der Führung in Ramallah. Denn im Raum steht auch, dass eine Art »Friedenstruppe« der arabischen Staaten im Gazastreifen die Kontrolle übernimmt; in diesem Konzept wäre die offizielle palästinensische Regierung für die zivile Verwaltung zuständig.
Israel eröffnet neue Front gegen ausländische Medien
Mitten in dieser ohnehin schon sehr komplexen Situation hat Israels Regierung nun eine weitere Front aufgemacht und den ausländischen Medien den Krieg erklärt: Ein neues Gesetz sieht vor, dass ausländische Medien unter bestimmten Umständen die Arbeit und Verbreitung in Israel untersagt werden können. Am Sonntag wurde auf dieser Grundlage der arabische Nachrichtensender Al-Jazeera im Internet und als analoges Fernsehen abgeschaltet; die Sendeeinrichtungen wurden beschlagnahmt, den Reportern die Arbeit untersagt.
Nun tobt ein Sturm der Kritik: Berichterstattung war in Israel immer schon politisch, manchmal auch aktivistisch geprägt. Über die Jahrzehnte hinweg behalf man sich damit, als sicherheitsrelevant erachtete Informationen zu zensieren und die Medien ansonsten alleinzulassen. Der Sender mit Hauptsitz in Katar habe sich zum Sprachrohr der Hamas gemacht, so der Vorwurf. Doch auch in Israel wird eingewandt: »Wenn man nicht mit den Funktionären der Hamas redet, ihre Ansichten hört, dann kann man auch nicht lernen, was innerhalb der Hamas vor sich geht«, so ein Kommentator im öffentlich-rechtlichen Fernsehsender Kan.
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