Autor Nathan Thrall: Dort preisgekrönt, hier gecancelt

Der jüdisch-amerikanische Autor gewann am Montag den Pulitzer Preis. Wenige Tage zuvor wurde in Frankfurt ein Event mit ihm zu Nahost abgesagt

Nathan Thrall hat am Montag den Pulitzer Preis für sein Buch »A Day in the Life of Abed Salama: Anatomy of a Jerusalem Tragedy« gewonnen.
Nathan Thrall hat am Montag den Pulitzer Preis für sein Buch »A Day in the Life of Abed Salama: Anatomy of a Jerusalem Tragedy« gewonnen.

Es ist die vielleicht größte Ehrung, die einem Autor zukommen kann: Am Montag wurde bekannt gegeben, dass Nathan Thrall zu den diesjährigen Pulitzer- Preisträgern gehört. Sein 2023 veröffentlichtes Buch »A Day in the Life of Abed Salama: Anatomy of a Jerusalem Tragedy« gewann in der Kategorie Non-Fiction. Es behandelt die Lebensrealität der Palästinenser unter der israelischen Besatzung in der Westbank. Diese kennt Thrall gut, denn von 2010 bis 2020 arbeitete er für die Organisation International Crisis Group, wo er das Arab-Israeli Project leitete und über die politische Lage in Israel und Palästina berichtete.

Am Dienstag hätte der Autor in den Räumen des Union International Club in Frankfurt am Main über die aktuelle Lage in Israel und Palästina sprechen sollen. Wenige Tage vorher sagte der Verein die Veranstaltung wieder ab – ohne offizielle Begründung, wie Thrall gegenüber »nd« bestätigte. Einzelne Mitglieder sollen Einwände gegen das Event erhoben haben, so der Autor. Um welche Einwände es genau ging, habe der Verein auch dem Veranstalter, der Hochschule Bard College Berlin (BCB), vorenthalten, sagte Thrall weiter. Dass die Absage mit seiner kritischen Haltung gegenüber der israelischen Regierung zu tun hat, lässt sich nur mutmaßen.

Schon vergangenes Jahr hatten proisraelische Lobbygruppen und der israelischen Diplomat Yuval Donio-Gideon Druck auf die BCB-Schwester-Uni Bard College Annendale gemacht, Thrall von seiner dortigen Dozentenstelle zu entlassen. Denn der Kurs, den er damals unterrichtete, beschäftigte sich mit der Frage, ob es sich bei der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern um »Apartheid« handele. Das breche – so der Vorwurf von Donio-Gideon – die umstrittene IHRA-Definition für Antisemitismus.

Beide Cancelversuche blieben jedoch mehr oder weniger erfolglos: Am Bard College in Upstate New York durfte Thrall weiter unterrichten und auch in Frankfurt wird er am Dienstag sprechen – bei einer Ersatzveranstaltung, organisiert von Medico und BCB.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -