Haushaltsdebatte: Abbruchunternehmen FDP

Liberale wollen bei Entwicklungshilfe brachial kürzen. Auch Ausgaben für die Rente sind ihnen zu hoch

  • Jana Frielinghaus, Pauline Jäckels
  • Lesedauer: 4 Min.

Faktische Rentenkürzungen und tiefe Einschnitte bei der Entwicklungshilfe: Das sind Kernforderungen des am Montag vom FDP-Präsidium beschlossenen Fünf-Punkte-Plans für eine »generationengerechte Haushaltspolitik«. Die Abschaffung des vorgezogenen Renteneintritts für besonders lange Berufstätige hatte Bundeskanzler Olaf Scholz indes bereits am Wochenende zurückgewiesen.

Drastische Kürzungen bei Entwicklungs- und Nothilfeprojekten sieht nicht nur der Plan von FDP-Finanzminister Christian Lindner für das Haushaltsjahr 2025 vor. Zuletzt forderte auch der stellvertretende FDP-Chef Wolfgang Kubicki drastische Einschnitte bei Entwicklungshilfe- und Nothilfeprojekten.

Zudem übernimmt die FDP im Fünf-Punkte-Plan die Darstellung der AfD, Deutschland bezahle unsinnige Projekte in aller Welt und vernachlässige dafür Grundbedürfnisse der eigenen Bürger. FDP-Vize Kubicki hatte am Wochenende vorgerechnet, man könne jährlich rund 20 Milliarden Euro an humanitärer Hilfe und Entwicklungshilfe »quer über die Ressorts einsparen – ohne schlechtes Gewissen«. Damit läge man immer noch im Durchschnitt der Zahlen der G-7-Staaten, sagte er der »Welt am Sonntag«. Es komme »zunächst darauf an, die deutsche Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen, erst dann können wir anderen Ländern helfen«.

Die deutschen Ausgaben für die Entwicklungshilfe summierten sich im Jahr 2022 über sämtliche Ressorts verteilt auf knapp 34 Milliarden Euro und damit auf 0,83 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Damit liegt Deutschland mittlerweile über den von den Vereinten Nationen geforderten 0,7 Prozent. Allerdings sind in diese Summe zahlreiche Posten eingerechnet, die nichts mit Entwicklungshilfe zu tun haben, darunter allein 4,6 Milliarden Euro Aufwendungen der Länder für Asylsuchende in deren erstem Aufenthaltsjahr in Deutschland.

Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) verteidigte ihre Forderungen für den Etat ihres Hauses im kommenden Jahr. Diese liegen um zwei Milliarden Euro über den Vorgaben des Finanzministers. Ihr Haus veranschlagt seinen Bedarf für 2025 auf 12,2 Milliarden Euro. Es sei im Entwicklungsbereich ohnehin auch in den vergangenen beiden Jahren »sehr stark gekürzt worden«, sagte Schulze am Sonntagabend in der ARD. Tatsächlich war der BMZ-Etat allein 2024 um fast eine Milliarde Euro gekürzt worden. Dazu kamen 400 Millionen Euro im Budget des Auswärtigen Amts für humanitäre Hilfe.

Zudem, so Schulze, sei Entwicklungszusammenarbeit Teil der Bemühungen um Sicherheit für Deutschland. »Für die Sicherheit, die wir in Deutschland brauchen, brauchen wir militärische Sicherheit, wir brauchen die Diplomatie, wir brauchen aber auch die Entwicklungszusammenarbeit.« Gegenüber der »Welt« hatte eine Sprecherin des Ministeriums erklärt, Kubickis Vorstoß würde »de facto das Ende der Beteiligung Deutschlands an der internationalen Zusammenarbeit bedeuten – und das in einem Land, das die Hälfte seines Wohlstands mit Export verdient und damit mehr als andere auf gute Beziehungen zur Welt angewiesen ist«.

Grünen-Fraktionsvize Agnieszka Brugger nannte Kubickis Idee »maximal unseriös und außenpolitisch extrem unklug«. Entwicklungszusammenarbeit in der jetzigen Form sei auch in Deutschlands »ureigenem Interesse«, so Brugger. Sie trage dazu bei, dass »nicht noch mehr Menschen vor Konflikten und Hunger fliehen müssen«. Außerdem weist Brugger darauf hin, dass die Entwicklungshilfe geopolitischen Interessen diene. Deutschland konkurriere »mit Staaten wie China und Russland um Einfluss, Rohstoffe und Absatzmärkte«.

Auch Cornelia Möhring, Sprecherin für Entwicklungspolitik der Linken im Bundestag, kritisiert die FDP scharf. Regelmäßig ergäben Studien, dass jeder Entwicklungseuro bis zu drei Euro Umsatzplus für deutsche Unternehmen bringe, gibt sie zu bedenken. Statt das Niveau der Entwicklungshilfe »weiter nach unten zu prügeln«, könne man besser woanders ansetzen: »Allein die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs (...) würde bis zu 5,5 Milliarden Euro jedes Jahr bringen.«

Zu den Forderungen der FDP nach Abschaffung des vorgezogenen Renteneintritts für Menschen, die mindestens 45 Beitragsjahre vorweisen können, erklärte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, deren »Angriffe auf die Rente« seien »zu einem ermüdenden Ritual geworden«. Die geltenden Regeln des Rentenrechts abzuschaffen, »wäre für Millionen Beschäftigte eine Rentenkürzung«, sagte er dem »Tagesspiegel«.

Christian Görke, parlamentarischer Geschäftsführer der Gruppe Die Linke im Bundestag, hält die Auseinandersetzung um die Rente für eine »Scheindebatte«. Die Rente mit 63 laufe ohnehin 2029 aus, es handele sich also nur um wenige Jahre, die bei der Frage relevant seien. »Was wir brauchen, ist eine Debatte darüber, wie wir die gesetzliche Rente stärken und einen Weg finden, die Einnahmen des Rententopfes zu verbreitern, anstatt auf eine Aktienrente zu setzen«, sagte Görke gegenüber »nd«. Dazu wäre die Einführung einer Erwerbstätigenversicherung notwendig, in die auch Manager, Selbständige, Beamte und Abgeordnete einzahlten. Das, so Görke, würde nicht nur die Einnahmen der Rentenversicherung stärken, sondern auch langfristig die Renten erhöhen. Ein entsprechender Antrag der Linke-Gruppe wird am Donnerstag im Bundestag diskutiert werden.

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