Warnsignale am Bau

Die IG BAU erhöht mit Warnstreikwelle Druck auf die Unternehmen

Auf den ersten Blick wirkt es überschaubar, dass am Dienstag im sachsen-anhaltinischen Magdeburg nur rund 100 Beschäftigte dem Streikaufruf der IG BAU gefolgt sind. Doch dahinter steckt eine Strategie, sagt Holger Bartels, Leiter der Region Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen für die Baugewerkschaft im Gespräch mit »nd«. Die Warnstreiks sollen ein erstes Warnsignal in Richtung Unternehmen sein. »Wenn es keine Bewegung gibt, werden es mehr«, mahnt er.

Ähnlich wie in Magdeburg sah es auch in den neun weiteren Städten aus, in denen am Dienstag die Arbeit niedergelegt wurde, darunter Hamburg, Memmingen, und Duisburg, wo fast 270 Beschäftigte an einer Streikdemonstration teilnahmen. Den Auftakt hatten am Montag bereits rund 1000 Beschäftigte in Niedersachsen gemacht, auch das eine strategische Entscheidung. Denn es war der dortige Bauunternehmerverband, der den Schlichterspruch in den laufenden Tarifverhandlungen für das Bauhauptgewerbe abgelehnt hatte.

Danach hätten die Beschäftigten eine Gehaltserhöhung um einen Festbetrag von 250 Euro pro Monat erhalten. In einem weiteren Schritt sollten die Löhne um weitere 4,15 Prozent im Westen und 4,95 Prozent im Osten steigen. Den Unternehmen ist insbesondere dieser Sockelbetrag ein Dorn im Auge. Um der Gewerkschaft im Vorfeld der Warnstreiks Wind aus den Segeln zu nehmen, hatten sie freiwillige Lohnerhöhungen von fünf Prozent im Westen und sechs Prozent im Osten in Aussicht gestellt.

»Vereinzelt hat das Angebot der Unternehmen eine Wirkung gehabt, aber es ist überschaubar«, erklärt Bartels. Auch weil das Angebot unter der Schlichtungsempfehlung und deutlich unter der von der IG BAU geforderten monatlichen Erhöhung um 500 Euro liegt. Zudem wäre die Erhöhung nicht tarifgebunden, kritisiert die Gewerkschaft. Sie streitet darum wieder für ihre ursprüngliche Forderung.

Davon würden insbesondere Bauarbeiter am unteren Ende der Lohnhierarchie profitieren. Offiziell lagen die Tariflöhne im vergangenen Jahr für ungelernte Arbeiter*innen mit 12,85 Euro pro Stunde knapp über dem aktuellen gesetzlichen Mindestlohn. Facharbeiter*innen mit dreijähriger Berufsausbildung verdienten rund zehn Euro mehr. Und die höchsten Tarifgruppen erhalten Stundenlöhne von um die 25 Euro.

Doch ein Großteil der über 900 000 Beschäftigten in der Baubranche kommt auf einen Bruttolohn zwischen 2200 und 3100 Euro, wie aus Stern-Recherchen hervorgeht. Und laut Bundesregierung verdient jeder zehnte Beschäftigte im Baugewerbe einen Niedriglohn. Allerdings ist unklar, wie viele es tatsächlich betrifft. Denn viele Unternehmen zahlen nicht nach Tarif. Und die Unternehmensstrukturen im Hochbau sind vielfach durch undurchsichtige Subunternehmerstrukturen geprägt, die über Werkverträge für die großen Baubetriebe Aufträge ausführen.

Insbesondere in diesen kleinen Unternehmen tut sich die IG BAU schwer, Mitglieder zu gewinnen, weshalb die Tarifbindung in der Regel gering ist. Dort ist es gängige Praxis, Arbeiter aus Osteuropa oder aus Drittstaaten unter prekären Bedingungen zu beschäftigen, wie es aus Gewerkschaftskreisen heißt. Konkrete Zahlen gibt es dazu nicht. Aber Schätzungen zufolge werden in der Branche mehr als die Hälfte der gearbeiteten Stunden nicht über reguläre Arbeitsverhältnisse abgewickelt.

Ein Problem, das die Gewerkschaft nicht aus eigener Kraft lösen kann. Auch nicht mit Streiks und Tarifverträgen, weil die insbesondere in der großen Bauindustrie wirksam sind. Wenig überraschend also, dass an den aktuellen Streiks vor allem Beschäftigte aus den großen und mittleren Betrieben teilnehmen, wie aus nd-Recherchen hervorgeht.

In den kleinen Unternehmen könnte nach Auslaufen des letzten Branchenmindestlohns eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 15 Euro für Linderung sorgen. Die wird derzeit von Gewerkschaften und nun von Bundeskanzler Olaf Scholz gefordert. Zudem fordert etwa Die Linke eine strengere Regulierung von Werkverträgen, um nachhaltige gewerkschaftliche Strukturen in der Baubranche zu stärken.

Doch hier stellen sich die Unternehmensverbände quer. Vor allem kleine Handwerksbetriebe lebten von Werkverträgen, heißt es etwa aus dem Branchenverband ZDB. Eine strengere Regulierung oder gar ein Verbot würde deren Existenz bedrohen. Auch eine gesetzliche Mindestlohnerhöhung wird von der Kapitalseite scharf kritisiert. Die IG BAU setzt ihre Streiks in den kommenden Tagen fort.

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