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Australien: Whistleblower geht in Berufung
Australischer Militäranwalt McBride in erster Instanz zu Haftstrafe verurteilt
»Der erste Australier, der wegen angeblicher Kriegsverbrechen in Afghanistan angeklagt wird, ist der Whistleblower«, kommentierte der unabhängige Senator David Pocock. Dies sei »ein perverses Ergebnis«, denn »Whistleblower verdienen besseren Schutz«. Die Verurteilung des früheren australischen Militäranwalts David McBride in erster Instanz zu fünf Jahren und acht Monaten Gefängnis hat große Wellen in Australien geschlagen. Denn sie wirft nicht nur ein Licht auf den eher dürftigen Whistleblower-Schutz im Land, sondern auch darauf, wie lange sich die strafrechtliche Verfolgung der Soldaten hinzieht, denen schwere Kriegsverbrechen in Afghanistan vorgeworfen werden.
2019 wurde der frühere Anwalt David McBride angeklagt, weil er geheime Informationen des Militärs an zwei Journalisten des staatlichen australischen Senders ABC weitergegeben hatte. McBride ging es dabei unter anderem um die Haltung der Kommandeure und um eine »übermäßige Untersuchung« der Truppen. Die Journalisten filterten jedoch Informationen über eine Reihe mutmaßlicher australischer Kriegsverbrechen in Afghanistan aus den Materialen heraus. Zugleich prangerten sie eine Kultur der Vertuschung in den Streitkräften an. Viele Behauptungen, die die Journalisten 2017 in ihren als »Afghan Files« bezeichneten Berichten aufstellten, wurden später vom Generalinspekteur der australischen Streitkräfte im sogenannten Brereton-Bericht bestätigt.
Dieser Bericht, der im November 2020 veröffentlicht wurde, schilderte, wie unterschiedliche australische Soldaten Kriegsverbrechen in Afghanistan begangen hatten. Die mehrere Jahre andauernde Untersuchung wertete 20 000 Dokumente und 25 000 Bilder aus. 423 Zeugen wurden befragt. Heraus kam, dass australische Elitesoldaten in dem untersuchten Zeitraum zwischen 2005 und 2016 39 Zivilisten oder Gefangene in Afghanistan ermordet haben sollen.
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Vertuschung von Kriegsverbrechen
Da es sich bei vielen der Getöteten um Gefangene gehandelt hatte, war eindeutig, dass sie keine Waffe getragen und damit keine Gefahr für die Soldaten dargestellt hatten. Zudem wurden die Taten bewusst vertuscht, indem Telefone oder Waffen auf die Leichen gelegt wurden. Diese Tatsachen machten die Vorfälle zu eindeutigen Kriegsverbrechen. Sie konnten somit nicht als Kampfhandlungen gewertet werden. Seit der Veröffentlichung des Berichts steht bisher allerdings nur einer der australischen Soldaten, die damals im Einsatz waren, vor Gericht. Der Soldat soll 2012 einen Zivilisten ermordet haben – eine Straftat, die im Falle einer Verurteilung eine lebenslange Freiheitsstrafe nach sich ziehen würde. In seinem Fall ist noch kein Urteil gefallen, dafür aber im Fall des Whistleblowers McBride.
McBride hatte bei dem Prozess gegen ihn eingestanden, zahlreiche Dokumente an den australischen Sender übergeben zu haben. Diese hatte er während seiner Zeit auf einem Militärstützpunkt in der Nähe von Canberra heimlich kopiert und über mehrere Monate hinweg in einem Rucksack nach Hause geschmuggelt. Zunächst hatte er versucht, auf die Verbrechen mit einer internen Beschwerde aufmerksam zu machen. Als dies jedoch nicht von Erfolg gekrönt war, schaltete er letztlich die Presse ein.
Seine Anwälte argumentierten dann auch, der 60-Jährige habe die Informationen in »ehrenhafter« Absicht und aus persönlichem Pflichtgefühl weitergegeben. Die Staatsanwaltschaft hielt dagegen, dass McBride von »persönlicher Rechtfertigung« motiviert gewesen sei und dass die Art und Weise, wie er die Dokumente gesammelt, gespeichert und dann weitergegeben habe, die nationale Sicherheit und Außenpolitik Australiens gefährdet habe. Während der Urteilsverkündung am Dienstag stimmte Richter David Mossop zu, dass McBride einen »guten Charakter« habe, sagte jedoch, dass er offenbar von der Richtigkeit seiner eigenen Meinungen besessen sei. Die Weitergabe militärischer Geheimnisse sei »ein grober Vertrauensbruch«. Die fast sechsjährige Haftstrafe, zu der er McBride schließlich verurteilte, kann verkürzt werden: McBride kann nach 27 Monaten auf Bewährung freigelassen werden.
»Du bist ein Held, David«
Die Verhängung einer Gefängnisstrafe gegen den Whistleblower sorgte in Australien für Aufruhr: Aus dem Publikum im Gerichtssaal waren Rufe zu hören wie »Schäm dich!« und »Du bist ein Held, David«. Auch aus dem Ausland kam harsche Kritik.
McBride ist der erste Whistleblower, der in Australien zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Sein Anwalt Mark Davis kündigte nach der Urteilsverkündung an, sein Mandant werde Berufung einlegen.
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