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Einreiseverweigerung für Ghassan Abu-Sittah war rechtswidrig
Bundespolizei muss Schengen-Verbot für britisch-palästinensischen Arzt sofort aufheben
Das Verwaltungsgericht Potsdam hat in einem Eilverfahren entschieden, dass ein von der Bundespolizei erlassenes Einreiseverbot für den britisch-palästinensischen Arzt Ghassan Abu-Sittah rechtswidrig war. Das geht aus dem sechsseitigen Beschluss hervor, der dem »nd« vorliegt. Zur Begründung heißt es darin, dass die vorgebrachten Vorwürfe nicht schwer genug waren.
Seit April ist Abu-Sittah auch Rektor der Universität Glasgow. Für den 14. April war er als Redner des von der Polizei aufgelösten »Palästina-Kongresses« in Berlin angekündigt, um dort über seinen humanitären Einsatz für die Opfer des Gaza-Krieges im Oktober und November 2023 zu berichten. Das Bundespolizeipräsidium mit Sitz in Potsdam hatte ihm jedoch am Berliner Flughafen die Einreise verweigert und sich dabei auf Artikel 24 der EU-Verordnung zum Betrieb des Schengener Informationssystems (SIS) gestützt. Darin sind Fälle geregelt, in denen einem Ausländer ein Grenzübertritt oder Aufenthalt im gesamten Schengen-Raum untersagt werden kann.
Aufgrund des deutschen SIS-Eintrags haben kürzlich auch Frankreich und die Niederlande Abu-Sittah die Einreise untersagt. Allerdings ist ein solcher Eintrag nur dann erlaubt, wenn gegen den Betroffenen »der begründete Verdacht besteht«, dass er eine schwere Straftat begangen hat oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats begehen will. Die von der Bundespolizei angeführten Delikte »Volksverhetzung« oder »Belohnung und Billigung von Straftaten« erfüllen diesen Tatbestand nicht, so die Richter in Potsdam.
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Zur Begründung der Einreiseverweigerung verwies die Bundespolizei auf nicht näher bezeichnete Postings auf X. Dem Verwaltungsgericht genügen diese Angaben aber nicht. Es gebe außerdem keine Hinweise, dass Abu-Sittah »erneut solche Posts im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates verfassen wird«, heißt es in dem Beschluss, und weiter: »Zumal die dargestellten Posts wohl im Gazagebiet abgesetzt wurden.«
Die Bundespolizei behauptete auch, »offen verfügbaren Informationen« zufolge habe Abu-Sittah »intensive Kontakte« zu Mitgliedern der in der EU als terroristisch eingestuften Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP). Dabei fehle jedoch »jeglicher Anhaltspunkt, um welche konkreten Informationen es diesbezüglich geht«, monieren die Potsdamer Richter. Auch lägen keine konkreten Hinweise dafür vor, dass der Arzt Mitglied einer kriminellen und terroristischen Vereinigung im Ausland sei.
Eine Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist möglich. Allerdings muss der Eilbeschluss auch im Falle einer Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht von der Bundespolizei vorläufig umgesetzt werden.
»Der Beschluss zeigt in aller Deutlichkeit, dass das Einreiseverbot gegen Abu-Sittah eine politisch motivierte Maßnahme war«, erklärt der Strafverteidiger Alexander Gorski, der den Arzt bei seiner Eilklage in Potsdam unterstützt hat. Die Bundespolizei habe sich dabei bewusst nicht an das Gesetz gehalten. »Abu-Sittah sollte mundtot gemacht werden, es sollte mit allen Mitteln verhindert werden dass er über seine Erfahrungen als Arzt in Gaza sprechen kann«, so der Rechtsanwalt.
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