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Brandenburg: Plattenblocks in Holzbauweise
B&O-Gruppe eröffnet Fabrik für Wandsegmente in Frankfurt (Oder)
An der Nicolaus-August-Otto-Straße in Frankfurt (Oder) schneiden Oberbürgermeister René Wilke (Linke) und Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) am Donnerstagmittag ein Band durch und eröffnen so die neue Fabrik auch offiziell. Zwei Rolltore heben sich, schon im Lager duftet es nach Holz. Dahinter liegt die vollautomatisierte, 210 Meter lange Fertigungslinie für Wandsegmente aus märkischer Kiefer.
2020 kaufte die B&O-Gruppe das Grundstück, auf dem schon zwei Hallen standen, die für die Zwecke des Unternehmens umgebaut werden konnten. »Das hat mir ein Jahr Lebenszeit gespart«, sagt Uwe Dohrs, Geschäftsführer der B&O Holzbau GmbH. 2022 begann die Errichtung einer dritten Halle und im Januar 2024 startete dort der Probelauf der Produktion. Jetzt geht es mit 55 Beschäftigten richtig los.
Die B&O-Gruppe hat sich mit ihren 2400 Mitarbeitern auf mehrgeschossige Wohnhäuser aus Holz spezialisiert. Der Familienbetrieb mit Hauptsitz im süddeutschen Bad Aibling nutzt dafür selbst entwickelte und eigens angefertigte Segmente und Module. Das erste Projekt war 2008 die Aufstockung eines Hauses in der Kölner Fordsiedlung. Die patentierten Wandsegmente sind tragfähig für bis zu acht Geschosse. Folgerichtig hat die B&O-Gruppe einmal das zeitweise höchste Holzhaus Europas errichtet.
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Mindestens 700 000 zusätzliche Wohnungen benötige die Bundesrepublik, erläutert Prokuristin Friederike Münn. Doch diese mit den herkömmlichen Verfahren aus Stahlbeton zu bauen, dauert lang, kostet viel und belastet die Umwelt. »Serielles Bauen senkt die Kosten erheblich.« Den Rohbau eines Mehrfamilienhauses vermag B&O mit seiner Technologie in 16 Tagen zu montieren. Dennoch werden in Deutschland vorerst zwar schon 20 Prozent der Eigenheime, aber erst 2,1 Prozent der Mehrfamilienhäuser aus dem nachhaltigen Rohstoff Holz gebaut. 2022 setzte B&O drei Geschosse aus Holz auf das Dach eines klassischen DDR-Plattenbaus in Berlin-Buch. Das alles zeigt, wie groß das Potenzial ist. Deshalb glaubt Michael Schäpers, der die Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Firma leitet, dass diese leistungsstärkste Fabrik Europas in Frankfurt (Oder) nicht die letzte sein wird.
»So kann man erleben, wie Sachen wiederkommen, die gar nicht so schlecht waren«, bemerkt Bundesbauministerin Geywitz. Als sie einst mit Oberbürgermeister Wilke als Abgeordnete im brandenburgischen Landtag saß, hätte sie nicht gedacht, mal mit ihm eine Fabrik für serielles Bauen zu eröffnen. Doch schlechtgeredet werde die Platte ohnehin nur von denen, die von außen draufschauen und nicht von denen, die drin wohnen, weiß Geywitz. Ohne neue Ideen könnte die Bauindustrie in Deutschland mit dem vorhandenen Personal nur 300 000 Wohnungen im Jahr bauen – und es mangelt an Arbeitskräften und Flächen. Aber B&O könnte schnell und bezahlbar die unzähligen ostdeutschen Plattenbauten vom Typ WBS 70 aufstocken. Kein Wunder, dass Geywitz ins Schwärmen gerät.
In der Frankfurter Fabrik kann B&O nun 25 Quadratmeter Wand in weniger als einer Stunde vorfertigen. Bei voller Auslastung reicht die Kapazität für 150 000 Quadratmeter beziehungsweise 2000 Wohneinheiten im Jahr. Aber das soll es nicht gewesen sein. Schon im Juni soll auf dem Werksgelände mit dem Bau einer vierten Halle begonnen werden.
»Die richtige Fläche zur richtigen Zeit zum richtigen Preis«, erklärt sich Oberbürgermeister Wilke, dass seine Kommune als Fabikstandort auserkoren wurde. Die Stadt sei »nicht so wählerisch«, dass sie reihenweise Investoren wegschicken würde, sagte er aber dem einen oder anderen Interessenten doch: »Das passt nicht so richtig.« Doch dies sei bei B&O überhaupt keine Frage gewesen. »Wir finden, was sie tun, passt gut zu uns«, sagt Wilke.
Als er im Mai 2018 als Oberbürgermeister vereidigt wurde, haben in seiner Heimatstadt noch sechs bis acht Prozent der Wohnungen leer gestanden. Inzwischen gebe es aber Engpässe, sagt Wilke. B&O sei angesichts von Wohnungsnot und Klimakrise ein Problemlöser. Die Wohnungsgesellschaften von Frankfurt (Oder) nahmen bereits Kontakt auf – und nicht nur die.
Maren Kern, Vorstandschefin des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, erkennt unter den Gästen der Werkseröffnung viele Vertreter der Wohnungsgesellschaften und -genossenschaften aus beiden Bundesländern, die sie von Grundsteinlegungen und Richtfesten kennt. »Bei Holz denken viele an die Feuerwehr und schauen sich nach dem nächsten Löschteich um«, berichtet Kern von früheren Vorbehalten. Doch B&O habe weitergedacht und damit unternehmerischen Mut bewiesen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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