Fußball in Belgrad: Rote Späher mit Stern, dunkle Partizan-Schar

BallHaus Ost: Der beliebte Ballsport ist in Serbien auch immer politisch

Die dunkle Schar der Schwerz-Weißen: der Fanblock von Partizan Belgrad
Die dunkle Schar der Schwerz-Weißen: der Fanblock von Partizan Belgrad

Freitagabend in Banovo brdo, einem Belgrader Ortsteil, der Heimat des FK Čukarički. Čuka, wie ihn seine Fans nennen, ist ein Arbeiterverein, ein typischer Belgrader Stadtteilklub ohne aktive Fanszene. Denn in der serbischen Hauptstadt gibt es nur zwei Religionen: die Schwarzweiße und die Rotweiße.

Partizan Belgrad braucht noch einen Sieg, um sich als Ligazweiter für die Champions-League-Qualifikation einzuschreiben. Wir marschieren den Hügel zum Stadion hinauf, vorbei an brutal glotzenden Polizisten und schwarz-weiß gekleideten Grobari, den treuen Partizanfans. Noch werden die Fahnen nicht gezeigt, es könnte ja sein, dass der verhasste Rivale Roter Stern Späher und Diebe ausgesandt hat. Heute sind es aber neben zahlreichen Uniformierten mit dicken Knüppeln nur ein paar Hundert Einheimische, die sich hinter ihren Gardinen und auf den Bürgersteigen nicht satt sehen können an der dunklen Schar, die mit netten T-Shirtbotschaften wie »Tanzen wir den wilden Tango des Todes« posieren. Pluspunkt: Ich sehe keinen Grobari mit Putinshirt, oder dem Konterfei sonstiger Kriegsverbrecher.

Mein Begleiter empfiehlt noch ein schnelles Getränk. Am ersten Kiosk werden wir abgewiesen, weil im Umkreis von zwei Kilometern kein Alkohol verkauft werden darf. In der Bar daneben bekommen wir ein Bier und den nachhaltigsten Pflaumenschnaps der Welt, um die neunzig Minuten fußballähnlichen Gelümmels erträglich zu gestalten. Im Stadion gibt es, wie überall in Serbien, nichts zu trinken. Weder Alkohol noch sonstiges. Auch nix zu essen, allerdings darf man Sonnenblumenkerntüten bei sich führen. Als wir die Gegengerade betreten, tummeln sich dort etwa 1000 Schwarzkittel. Im Block der aktiven Grobari daneben noch mal 1000, auf der kleinen Tribüne gegenüber noch kleine Grüppchen – nebst wenigen Hundert Čukafans, die während des Spiels keinen Mucks von sich geben.

Ballhaus Ost
Fussball, Herren, 2. Bundesliga, Saison 2014/2015 (10. Spieltag)...

Frank Willmann blickt auf den Fußball zwischen Leipzig, Łódź und Ljubljana.

»Vucicu pederu«, grölen zu Spielbeginn alle Schwarz-Weißen auf unserer Tribüne. Die Aktiven links neben uns sind still, weil ihre Anführer dafür bezahlt werden, für den serbischen Präsidenten Vucic zu agitieren. »Unschön«, sage ich zu meinem Begleiter. Dieser nickt und meint, er zählt die Tage, bis die Chefs der Kurve von den wahren Fans aus dem Stadion geschmissen werden. Umso infernalischer brüllen die normal Irren gegen den verhassten Staatschef.

Dann stimmen alle gemeinsam eines der schönsten Partizanlieder an. Darin macht man sich über den eigenen, angepunkten Lifestyle lustig. Die hässlichsten Fahnen, die schmutzigsten Klamotten, die langweiligsten Lieder – es ist ein verhohnepipelter Rote-Stern-Song (den die Rotweißen anstimmen, um sich und ihren Verein zu lobpreisen, die Größten und Geilsten der Welt, die dicksten Eier, das Ewigesiegerblabla).

Die erste Halbzeit ist Fußball zum Wegrennen, in der zweiten gelingt Partizan ein Tor, Hurra! Bengalos lodern, Pyro prasselt, die Königsklassen-Quali ist gesichert. Die Fans singen ein freudiges Liedchen, schmähen final den Vereinsvorstand (alle) und Vucic (die Hälfte). Dann packen sie ihre Fahnen gut weg. Man weiß nie, wer in Belgrad hinter der nächsten Ecke lauert.

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