Neue Spur nach Anschlag auf Linkes Zentrum in Oberhausen

Frisch Verurteilter könnte Mittäter bei Attacke auf Büro der Linken gewesen sein

  • Henning von Stolzenberg
  • Lesedauer: 3 Min.

Auch nach fast zwei Jahren ist der Bombenanschlag auf das Linke Zentrum Oberhausen weiterhin unaufgeklärt. Die Räumlichkeiten der Partei Die Linke in der Ruhrgebietsstadt wurden im Juli 2022 durch einen »unkonventionellen Sprengsatz« weitgehend zerstört. Nachdem die Ermittlungen nach einem Jahr eingestellt worden waren, befinden sich inzwischen seit Februar dieses Jahres zwei mutmaßlich beteiligte Neonazis in Untersuchungshaft. Sie könnten Verbindungen zu dem am letzten Mittwoch vor dem Duisburger Landgericht zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilten Kevin Antonio C. haben.

C. wurde wegen Drogenbesitzes sowie Besitzes von Waffen, einer mittleren fünfstelligen Summe von Falschgeld und mehreren Sprengstoffen verurteilt. Dazu kommt das Hantieren mit explosiven Stoffen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass C. im Zeitraum zwischen Januar 2016 und Oktober 2021 auf dem Industriegelände seines Arbeitgebers vorsätzlich vier Explosionen mit einer unbekannt gebliebenen Substanz herbeigeführt hat.

Zudem wurden im Rahmen einer Hausdurchsuchung neben Betäubungsmitteln unter anderem ein Distanz-Elektroimpulsgerät, eine Schreckschusspistole sowie eine halbautomatische Kurzwaffe gefunden. Im Arbeitsspind des Angeklagten wurden außerdem Patronen sichergestellt. Bei der Durchsuchung seiner Arbeitsstelle wurden in einem weiteren Spind Magnesium- und Aluminiumpulver gefunden. Durch die Öffnung des Spindes mit einem Trennschleifer kam es laut Anklageschrift aufgrund des Funkenflugs zu einer Explosion, bei der ein Zeuge verletzt wurde.

Neben den selbst durchgeführten Explosionen soll der 33-jährige Oberhausener außerdem in einem nicht näher bestimmbaren Zeitraum vor Dezember 2021 64 bzw 180 Gramm der Sprengstoffe HMTD und PETN sowie fünf Gramm des Initialsprengstoffs Bleiacid verarbeitet und an einen gesondert verfolgten Dritten übergeben zu haben. Die Übergabe eines solchen Sprengsatzes wäre damit mindestens ein halbes Jahr vor dem Anschlag auf das Linke Zentrum gewesen.

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Am vierten und letzten Prozesstag in der vergangenen Woche soll laut Bericht eines Prozessbeobachters die 32-jährige Nina S. als Zeugin vorgeführt worden sein. Sie habe allerdings die Aussage verweigert. Damit wäre zumindest erwiesen, dass C. und S. in Kontakt standen. Inwieweit sich die Bekanntschaft auch auf den 49-jährigen Lebensgefährten Thomas L. beziehen könnte, wurde während des Verfahrens nicht erörtert.

Bei Nina S. und Thomas L. handelt es sich um die in U-Haft befindlichen Neonazis, in deren Wohnung bei einer Hausdurchsuchung Hinweise auf eine Tatbeteiligung gefunden wurden, die sich laut Behörden erhärtet haben. Die beiden als »Reichsbürger« bezeichneten Personen hatten auf ihren öffentlichen Facebook-Profilen eindeutig neonazistische Inhalte geteilt, darunter der Partei »Die Heimat« (früher NPD). L. war laut Antifa-Recherche in den Neunzigerjahren in der seit damals verbotenen »Freiheitlichen Arbeiterpartei« (FAP) aktiv.  

Auf Nachfrage zu Verbindungen von Kevin Antonio C. in neonazistische Kreise hält sich das Landgericht bedeckt und erklärt, keine Erkenntnisse darüber zu besitzen. Gleiches gelte für die Frage, ob aktuell ein Ermittlungsverfahren gegen den Verurteilten oder gegen weitere Personen wegen Beteiligung oder Beihilfe zum Anschlag auf die Räumlichkeiten der Linken in Oberhausen laufen. Soweit die angeklagten Taten nicht Gegenstand der Verurteilung seien, würden sie in der Hauptverhandlung vorläufig eingestellt beziehungsweise das Verfahren insoweit beschränkt, erklärte Gerichtssprecherin Lara Zwirnmann und verwies auf die zuständige Staatsanwaltschaft.

Auch von dort erfolgte trotz mehrmaliger Nachfrage bislang keine Auskunft. Pressesprecherin Marie-Luise Hepe teilte mit, dass zuvor behördeninterne Beratungen nötig seien. Auch die vom Anschlag betroffene Ratsfraktion Die Linke Liste wartet trotz mehrfacher Anträge auf Akteneinsicht seit Februar vergeblich auf Informationen.

Sascha H. Wagner, Landessprecher der Partei Die Linke in NRW, bezeichnete den Umgang der Behörden mit den Betroffenen und den vorliegenden Informationen gegenüber »nd« als »beschämend«. Es sei dringend notwendig, der Aufklärung von rechtsterroristischen Straftaten eine viel höhere Priorität einzuräumen, forderte er in Richtung von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), der in dieser Sache bisher vollends versagt habe.

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