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Staatsbesuch von Macron: Ausgezeichneter Europäer
Emmanuel Macron mit Friedenspreis geehrt. Zuvor warnte er in Dresden vor der rechten Gefahr
Wo er hinkam, verzauberte Emmanuel Macron das deutsche Publikum mit seinem Charme: in Berlin auf dem »Fest der Demokratie«, in Dresden am Montagabend auf der »Fête de l’Europe« und am Dienstag in Münster. Dort wurde Frankreichs Präsident mit dem Preis des Westfälischen Friedens ausgezeichnet, benannt nach dem Pakt, der 1648 den Dreißigjährigen Krieg beendete.
Die Wirtschaftliche Gesellschaft für Westfalen und Lippe (WWL), die die mit insgesamt 100 000 Euro dotierte Ehrung alle zwei Jahre an eine Person und eine Jugendgruppe verleiht, hatte sich bereits im März 2023 für Macron und das Deutsch-Polnische Jugendwerk entschieden. Da war der französische Staatschef noch nicht mit der Forderung nach Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine und atomarer Aufrüstung der EU aufgefallen. Die Jury hatte ihre Entscheidung damit begründet, dass es Macron gelungen sei, »mit der russischen Führung den Gesprächsdialog aufrechtzuerhalten«. Er sollte den Preis bereits vor einem Jahr bekommen. Damals sagte er seinen Staatsbesuch aber wegen massiver Proteste gegen Polizeigewalt in Frankreich ab.
Derweil rüttelte in der WWL niemand an der Auswahl, und so kam es im historischen Rathaussaal zum erwarteten Politikerschaulaufen. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war angereist, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hielt die Laudatio. Er würdigte Macron als »Motor der europäischen Entwicklung und der deutsch-französischen Freundschaft«. »Du bist nicht nur ein Macher, du bist ein Mutmacher«, dichtete der frühere deutsche Außenminister. »Wo andere von Grenzen sprechen, da redest du von Horizonten.«
Der französische Präsident sei ein »leidenschaftlicher Europäer«, lobte Steinmeier. Er hob Macrons Einsatz für eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik, eine gemeinsame europäische Verteidigung und ein gemeinsames Handeln bei der inneren Sicherheit hervor. Zugleich würdigte er Macrons vergangenes diplomatisches Engagement. Frankreich und Deutschland hätten alles versucht, um einen Krieg zu verhindern. »Aber unser gemeinsames Bemühen um den Frieden in Europa ist an Moskau gescheitert«, erklärte der Bundespräsident auch mit Blick auf Macrons Versuche, den Dialog mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu Beginn des Ukraine-Krieges aufrechtzuerhalten.
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Macron kündigte in seiner Dankesrede an, seine Hälfte des Preisgeldes dem mitausgezeichneten Jugendwerk zur Verfügung zu stellen. Und er bekräftigte erneut seine Forderung nach Aufrüstung und gemeinsamer Verteidigung. Das hatte zuvor auch Kommissionspräsidentin von der Leyen getan und insbesondere die Notwendigkeit eines eigenen Luftabwehrschirms für Europa hervorgehoben. Nur so lasse sich der »Frieden auf unserem Kontinent verteidigen«.
Die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik hatte Macron am Montagabend auch in den Mittelpunkt seiner Dresdner Rede gestellt, die von Tausenden, überwiegend jungen Menschen auch aus Frankreich, Tschechien und Polen bejubelt wurde. Gerade in der Wirtschaftspolitik müsse Europa souveräner und unabhängiger werden, insbesondere gegenüber China und den USA, hatte er betont.
»Wir müssen die Kraft, das Engagement wiederfinden, Europa überall zu verteidigen«, rief der 46-Jährige seinem Publikum zu. Denn es könne »sterben«, wenn nicht gehandelt werde. Der Politiker warnte vor dem Erstarken von »Extremen und besonders Rechtsextremen« – auch vor dem Hintergrund, dass der rechte Rassemblement National bei der Europawahl am 9. Juni stärkste Kraft werden könnte.
Derzeit gebe es in eine zunehmende »Faszination für autoritäre Regime«, konstatierte Macron. Viele wollten zwar Gelder aus Brüssel, doch von unabhängiger Justiz, Pressefreiheit, Kulturvielfalt und Autonomie der Universitäten nichts wissen. Der Präsident mahnte: »Lasst uns aufwachen! Unser Europa ist kein Supermarkt!« Es sei nicht nur ein Ort, an dem man sich gemeinsame Regeln gebe, sondern auch eine »Säule der Werte, der Kultur, der individuellen und politischen Freiheiten«. Man müsse es verteidigen und auf Sorgen und auf die Gründe für die Wut »mit einem Europa des Respekts antworten«.
Zum Abschluss des Besuchs trafen Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sowie mehrere Minister beider Regierungen am Dienstagnachmittag auf Schloss Meseberg zu Beratungen zusammen, bei denen es ebenfalls um Rüstungs- und Sicherheitsfragen sowie um europäische Wettbewerbspolitik gehen sollte. Auch der deutsch-französische Verteidigungs- und Sicherheitsrat sowie der deutsch-französische Ministerrat sollten in Meseberg tagen.
Zuvor hatten der Präsident und der deutsche Regierungschef in der »Financial Times« am Dienstag einen gemeinsamen Gastbeitrag veröffentlicht, in dem sie den Abbau von Bürokratie, mehr Engagement für die Klimaneutralität der Gesellschaften und Anstrengungen für Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit der EU fordern. Dafür müssten der Green Deal und der digitale Wandel gelingen. Weiter pochen sie erneut auf einen stärker integrierten europäischen Finanz- und Bankensektor. Benötigt werde unter anderem eine Harmonisierung bei der Unternehmensinsolvenz und dem Steuerrecht.
Der Linke-Ko-Vorsitzende Martin Schirdewan kritisierte derweil, dass Scholz wie Macron die neuen Schuldenregeln in Europa durchgesetzt hätten, die »mitten in der Krise zu weiteren Kürzungen führen werden«. Dabei belegten aktuelle Studien, dass Austeritätspolitik rechten Parteien helfe. »Vor diesem Hintergrund ist die Kürzungspolitik von Scholz und Marcon nicht nur sozial ungerecht, sondern auch politischer Wahnsinn«, so Schirdewan. Notwendig seien Investitionen in Schulen, Krankenhäuser und sozialen Wohnungsbau.
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