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Schall und Rauch in Bangladesch
Tabakanbau zwischen Gesundheit und Profit
Atik Ahmed verdreht den Kopf, wenn er auf eine der populärsten Pflanzen in seiner Heimatregion angesprochen wird: »Unsere Landwirte bauen leider viel Tabak an. Wir versuchen sie davon abzuhalten, aber viele von ihnen wollen nicht aufhören.« Tabak sei tödlich, sagt Ahmed, und das nicht nur für Raucher: »Die Landwirte, die Tabak anbauen, sind häufiger krank. Sie haben Asthma oder Lungenprobleme.«
Atik Ahmed leitet eine lokale Landwirtschaftsbehörde in Nilphamari, einer agrarisch geprägten Region im Norden Bangladeschs. Die Frage, was die Menschen hier anbauen, ist hochpolitisch. Im einwohnerreichen Bangladesch wird mehr als ein Drittel der Bevölkerung als mehr oder weniger »ernährungsunsicher« eingestuft, angemessene Ernährung ist für sie keine Garantie. In Nilphamari liegt der Anteil noch höher.
Aber die Menschen in der Landwirtschaft dazu zu bringen, statt Tabak nur noch nahrhaftes Gemüse anzubauen, sei nicht leicht, erklärt der Regierungsvertreter: »Unternehmen der Tabakindustrie geben ihnen Vorauszahlungen und garantieren ihnen die Abnahme ihrer Ernte. Die Landwirte machen für ihre Verhältnisse recht gute Einnahmen.«
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Bangladesch gehörte zuletzt zu den zwölf größten Tabakanbauländern der Welt. Wenn man sich in der Region Nilphamari umsieht, versteht man schnell, wie es dazu kommt. Die großen, grünen Tabakblätter sprießen hier teilweise so weit das Auge sehen kann. Nach der Ernte werden die Blätter auf den Höfen wie frische Wäsche an Leinen aufgehängt. Dabei ist schon dies gesundheitsschädlich.
Auch bevor Tabak zu einer Zigarette verarbeitet wird, nehmen die Landwirtinnen und Landwirte durch das Pflanzen, Ernten und Trocknen Nikotin auf. Und eigentlich ist das in der Region bekannt. Die Bäuerin Mariam Begum erzählt: »Früher haben wir in unserer Familie viel Tabak angebaut. Ich hatte regelmäßig Husten und so etwas wie Asthma.«
Als sie vor ein paar Jahren von Regierung und NGOs darauf hingewiesen wurde, dass auch Gemüse gute Erträge abwerfen könnte, hat sie umgestellt. »Jetzt bauen wir Tomaten, Karotten und Reis an. Ich fühle mich gesünder. Tabak werde ich nie wieder anbauen.« Längst nicht jeder hier sieht die Angelegenheit so wie Mariam Begum. Das zeigt der Blick auf die von Tabakfeldern geprägte Landschaft.
Ein anderer Bauer, der sich nur mit seinem hier üblichen Nachnamen Begum vorstellt, findet den Tabakanbau in Ordnung. »Naja, wir sind es ja gewohnt«, sagt Begum achselzuckend. Entscheidend sei für ihn das Einkommen, das besser sei als bei anderen Pflanzen. »Als Kleinbauer mache ich damit ungefähr 30 000 Taka im Jahr.« Das entspricht rund 235 Euro, der Mindestlohn beträgt 12 000 Taka im Monat. Tabakbauern nutzen das Land über das Jahr auch für anderen Anbau.
Der lokalen Politik bereitet das Kopfzerbrechen. Shahid Mahmud, der in Nilphamari das Ernährungsressort der Lokalregierung verantwortet, erklärt, was alles getan wird: »Wir veranstalten große Versammlungen, in denen wir die Menschen dazu ermutigen, statt Tabak zum Beispiel Mais anzubauen. Oder nur wenig Tabak und sonst Gemüse.« Die Lage müsste sich künftig verbessern, glaubt Mahmud. »Aber Tabakunternehmen bezahlen die Landwirte nun einmal gut, damit sie Tabak pflanzen.«
Ein Unternehmen, dessen Name in diesem Zusammenhang immer wieder fällt, ist British American Tobacco oder BAT. Der Konzern mit Umsätzen im hohen zweistelligen Milliardenbereich zählt zu den drei größten Akteuren der Tabakbranche. Neben Bangladesch kauft er auch in Brasilien, Kenia oder Uganda ein. In seinem Jahresbericht betont BAT, eine »tabakfreie Welt« anzustreben. Für ein Interview in Bangladesch war das Unternehmen nicht erreichbar.
Dabei gibt es Fragen. Fern von den Tabakanbauregionen, in der Hauptstadt Dhaka, halten einige das Tabakgeschäft in seiner derzeitigen Form sogar für illegal. Zu ihnen gehört Yusuf Saadat vom unabhängigen Thinktank Centre for Policy Dialogue: »Rechtlich gesehen gibt es einen Passus in unserer Verfassung, der sagt, dass die Gesundheit der Menschen zur Verantwortung des Staates gehört.« Die Regierung müsse tun, was sie tun könne. »Ein weiterer Passus betont die Notwendigkeit, die Umwelt zu schützen.«
Aus diesen Gründen, resümiert Saadat, müsste staatliche Unterstützungen für die Tabakindustrie eigentlich verboten sein. Aber genau die gibt es, betont er. »Mit British American Tobacco haben wir ein sehr mächtiges Unternehmen im Land, an dem der Staat sogar Anteile von zehn Prozent hält. Und der Führung von BAT gehören einige Politiker an. Der Anbau von Tabak hat sich über die Jahre auch ausgedehnt.«
Der Staat verdient also an den Erlösen der Tabakbranche, auch wenn sie den Menschen gesundheitlich schadet. Irgendwann aber, glaubt Yusuf Saadat, könnte Tabak in Bangladesch ein Ding der Vergangenheit sein. Allerdings nicht wegen neuer Regulierung. Vielmehr müssten die Menschen in der Landwirtschaft der Armut entkommen. Damit sie auf Abnahmegarantien aus der Industrie einfach verzichten können.
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