- Politik
- Michael Stürzenberger
Mannheim: Nicht nur Trauer um getöteten Polizisten
Rechte wollen Tat für »Remigration« und »Stolzmonat« vereinnahmen, Linke halten dagegen
Nach dem Tod des Polizisten Rouven L. nach einer Messerattacke in Mannheim hat Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Montag eine Schweigeminute und Trauerflor angeordnet. Die Beflaggung an Dienstgebäuden von Polizei und Innenministerium wird auf halbmast gesetzt. »Der getötete Polizist in Mannheim hat das Recht von uns allen verteidigt, die eigene Meinung zu sagen«, schrieb Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Online-Dienst X.
Bei dem Angriff auf dem Mannheimer Marktplatz hatte der Täter am Freitag bei einer Veranstaltung der Bewegung Pax Europa (BPE) sechs Männer verletzt, darunter das als Islamhasser bekannte BPE-Vorstandsmitglied Michael Stürzenberger.
Der aus Afghanistan stammende Angreifer ist nach einem Polizeischuss nicht vernehmungsfähig, sein Motiv deshalb unklar. Der 25-Jährige war 2014 als Jugendlicher nach Deutschland gekommen und bislang nicht polizeibekannt. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Nach der Tat haben Ermittler seine Wohnung im hessischen Heppenheim durchsucht.
Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.
Rechtsextreme versuchen, die Tat im Rahmen eines bereits in den Vorjahren ausgerufenen nationalen »Stolzmonats« zu vereinnahmen. Im Internet wird dazu unter anderem von der Partei Freie Sachsen aufgerufen – in Anlehnung an den »Pride Month« in jedem Juni, der eigentlich Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern zu Selbstbewusstsein verhelfen soll.
Am Sonntag hatte die Junge Alternative auf dem Marktplatz in Mannheim zu einer Kundgebung für mehr »Remigration« aufgerufen. Die Jugendorganisation der AfD meint damit die verstärkte Abschiebung Asylsuchender. Bei einem öffentlich gewordenen Treffen in Potsdam hatten im November andere rechtsextreme Politiker unter »Remigration« auch die Ausweisung von Migranten mit deutscher Staatsangehörigkeit verstanden.
Ebenfalls am Sonntag veranstaltete in Mannheim ein überparteiliches Bündnis eine Mahnwache gegen Gewalt und Hass. Gegen die AfD-Veranstaltung zogen außerdem Antifa-Aktivisten mit Fahnen und Bengalos sowie dem Slogan »Nazis raus« auf. Dagegen ging die Polizei mit Gewalt vor.
Mannheims Oberbürgermeister Specht erklärte, der Tod des Polizisten zeige, was Hass und Hetze anrichten können. »Ich bitte Sie alle: Lassen Sie uns angesichts der tragischen Entwicklung innehalten und gemeinsam daran arbeiten, unsere Stadtgesellschaft in all ihrer Vielfalt zu einen und jegliche Spaltung zu vermeiden!«, appellierte Specht.
Dem hielt der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer, entgegen, Kampagnen gegen Hass und Hetze träfen nicht einmal im Ansatz die Probleme, die Polizisten täglich ertragen müssten.
Laut »Rheinischer Post« soll sich auf Antrag der Unionsfraktion der Bundestag in einer Aktuellen Stunde mit der Tat beschäftigen. Der Bundes-Chef der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke, sagte der Zeitung: »Der Deutsche Bundestag muss das Thema Gewalt gegen Polizisten und Messergewalt zusammen debattieren.« Kopelke forderte auch »Entschlossenheit im Durchsetzen von Abschiebungen von Straftätern«.
Ob und wann ein ausländischer Straftäter nach Verbüßung der Haftstrafe abgeschoben wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem von der Situation in seinem Herkunftsland. Der Mannheimer Täter müsste eine mögliche Haftstrafe in Deutschland verbüßen. Mit Agenturen
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.