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»Jede Krise braucht eine politische Lösung«

Leiter Jean-Pierre Lacroix über die Grenzen der UN-Blauhelmmissionen

  • Interview: Judith Raupp
  • Lesedauer: 4 Min.

Mali hat die Uno-Truppen aus dem Land geworfen. Aus dem Kongo müssen sie auch abziehen. Im Südsudan und in der Zentralafrikanischen Republik ist das Verhältnis angespannt. Was läuft schief bei den Friedensmissionen?

Es ist richtig, wir müssen über die Zukunft der Uno-Missionen nachdenken. Aber ich möchte zunächst auf den großen Wert der Einsätze hinweisen. Sie spielen eine entscheidende Rolle dabei, dass Waffenstillstände eingehalten werden und dass Feindseligkeiten nicht wieder ausbrechen. In den großen Missionen in Afrika schützen sie jeden Tag Hunderttausende Zivilisten, trotz der großen Herausforderungen, die wir dort haben.

In Afrika fühlen sich aber viele Menschen nicht beschützt. Sie sind frustriert über die Blauhelmsoldaten.

Wir würden uns wünschen, dass wir mehr Zivilisten schützen könnten. In vielen Fällen können wir nur verhindern, dass eine instabile Situation zur Katastrophe wird. Unser größtes Problem ist, dass sich die Uno-Mitgliedstaaten uneinig sind. Deshalb gibt es weniger Fortschritte bei Friedensbemühungen. Unsere Hauptaufgabe ist es, politische und diplomatische Prozesse zu unterstützen. Jede Krise braucht eine politische Lösung.

Interview

Der französische Diplomat Jean-Pierre Lacroix, 64, ist stellvertretender Generalsekretär der Vereinten Nationen und leitet seit 2017 die Uno-Friedensmissionen. Blauhelmsoldaten sind derzeit in elf Regionen im Einsatz: Kosovo, Zypern, Indien/Pakistan, Mittlerer Osten, Libanon, West Sahara, Syrien, Zentralafrikanische Republik, Demokratische Republik Kongo, Südsudan und Abyei.

Wie erklären Sie es den Menschen, die täglich großer Gewalt ausgesetzt sind, dass sie auf politische Lösungen warten sollen? Im Ostkongo wirft die Bevölkerung den Blauhelmsoldaten vor, gar nicht oder zu spät zu kommen, wenn Dörfer überfallen werden.

Unsere Missionen sind friedenserhaltende Einsätze, also Peace Keeping. Das ist ein komplexes Verfahren, um Zivilisten zu schützen und Friedensbemühungen zu unterstützen. Dazu braucht man die Kooperation vieler Akteure, wie etwa Militär und Polizei, Zivilisten und Regierungen. Wir können kein Peace Enforcement betreiben, also Frieden mit Gewalt schaffen.

Weshalb nicht?

Peace Enforcement bedeutet Krieg. Das ist etwas ganz anderes, als bestehende Friedensbemühungen zu unterstützen. Der Sicherheitsrat würde niemals das Mandat dafür geben, dass Uno-Truppen offensiv in den Krieg ziehen. Und selbst wenn es dieses Mandat gäbe, würden wir nicht genug Länder finden, die für solche Kampfeinsätze Truppen stellen würden.

Was die Uno bietet, entspricht also nicht den Erwartungen, die die Regierungen und die Bevölkerung in den Einsatzgebieten der großen Missionen in Afrika haben. Welche Lösung gibt es dafür?

Wir werden künftig eine diversifizierte Herangehensweise haben. Das schließt Kooperationen mit Partnern ein, die kein Uno-Mandat haben, vor allem wenn es um Peace Enforcement geht.

Was bedeutet das?

Wir haben bisher schon manche Einsätze der Afrikanischen Union unterstützt. Diese Kooperation soll ausgebaut werden. Robuste Einsätze der AU können künftig von der Uno mit finanziert werden. Wir bieten zudem Beratung, Planung und Ausbildung für solche Missionen an.

Welchen Vorteil sehen Sie darin, wenn Kampftruppen unter dem Mandat der Afrikanischen Union stehen statt unter einem Uno-Mandat?

Die Art der Gewalt hat sich geändert. Wir sehen heute im Vergleich zu früher mehr Terrorismus und mehr kriminelle Netzwerke, die zum Beispiel Bodenschätze plündern. Wir müssen auf asymmetrische Bedrohungen antworten finden und arbeiten mit der Afrikanischen Union daran.

In manchen Ländern haben die Regierungen paramilitärische Firmen zu Hilfe gerufen, obwohl Uno-Truppen dort stationiert sind. Bekommen die Blauhelmsoldaten Konkurrenz?

Es steht jeder Regierung frei, die Partnerschaften einzugehen, die sie will. Letztlich muss es das Ziel sein, dass die heimische Armee ausgebildet wird, sodass ein Land ein effizientes, glaubwürdiges Militär hat, das internationales Recht und Menschenrechte respektiert. Wenn private Firmen dazu beitragen, könnte das hilfreich sein.

Menschenrechtsorganisationen werfen aber der russischen Firma Africa Corps, der ehemaligen Wagner Gruppe, vor, in Mali und der Zentralafrikanischen Republik Menschenrechtsverbrechen begangen zu haben.

Wenn Menschenrechte und internationales humanitäres Recht nicht respektiert werden, ist das ein Problem. Wir müssen immer prüfen, ob private Einheiten in Konflikt mit unserem Mandat sind, Zivilisten zu schützen. Wir müssen darauf achten, dass die Angehörigen der Uno-Missionen nicht negativ betroffen werden. Wir sind daran interessiert, Konflikte mit diesen Gruppen zu vermeiden. Die Verantwortung liegt aber stets bei der Regierung des jeweiligen Einsatzlandes.

Im Kongo sind Söldner, Techniker und Ausbilder zweier osteuropäischer Firmen präsent. Zumindest eine der Firmen bietet der Uno eine direkte Zusammenarbeit an. Was halten Sie davon?

Unser Kooperationspartner in jedem Einsatzland ist immer die dortige Regierung.

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