- Berlin
- Stadtentwicklung
Bauturbo von oben
Senat beschließt Schneller-Bauen-Gesetz
Es ist eines der zentralen Gesetzesvorhaben der schwarz-roten Koalition: Der Entwurf für das Schneller-Bauen-Gesetz wurde im Senat beschlossen. Mit dem Gesetz sollen die Genehmigungsverfahren bei Bauvorhaben deutlich verkürzt werden. »Wir wollen nicht mehr nur mal schnell hier und da an den Symptomen arbeiten«, sagte Bausenator Christian Gaebler (SPD) am Dienstag nach der Sitzung des Senats. Stattdessen solle es nun einen ganzheitlichen Ansatz geben.
Seit der Corona-Pandemie ist die Bauaktivität in Berlin massiv zurückgegangen. Schon zuvor wurden nicht genügend Wohnungen gebaut, um dem Bedarf der wachsenden Stadt gerecht zu werden. Wegen der steigenden Kosten für Baumaterialien und Insolvenzen mehrerer Baufirmen ist der Neubau zuletzt aber geradezu eingebrochen. »Die steigenden Baukosten können wir nicht beeinflussen, aber die Genehmigungsprozesse«, sagte Gaebler. »Das Land Berlin schaut, was es an seiner Stelle für Entlastung tun kann.«
Um zu schnelleren Behördenentscheidungen zu kommen, sollen Bezirks- und Landesverwaltungen künftig besser zusammenarbeiten. Gaebler sprach von einem »integrierenden Ansatz«. »Das Ziel ist, dass alle abgestimmt miteinander und nicht nebeneinander arbeiten«, so Gaebler. Konkret sollen Fristen für Stellungnahmen und Entscheidungen mehr Verbindlichkeit schaffen. Bei Bauvorhaben im Wohnungsbau und bei der sozialen Infrastruktur mit »gesamtstädtischer Bedeutung« soll die Senatsverwaltung künftig die Verfahren an sich ziehen können.
Bei größeren Bauvorhaben ab 50 Wohnungen soll zu Beginn des Genehmigungsprozesses eine sogenannte Bauantragskonferenz stattfinden. Dort sollen die verschiedenen Behörden von Bauamt bis Naturschutzbehörden mit dem Antragsteller zusammenkommen, um problematische Umstände frühzeitig zu erkennen. »Je früher alle wissen, worum es geht, desto früher kann man sehen, wo man nacharbeiten muss«, sagte Gaebler. Müsse bei einem Bauvorhaben etwa beachtet werden, dass Grundwasservorkommen gefährdet seien, könne darauf bereits zu Beginn des Verfahrens hingewiesen werden, führte der Senator als Beispiel an. »Damit das dann nicht später im Verfahren auftaucht und Arbeit doppelt gemacht werden muss.«
Für Kontroversen sorgte im Vorfeld die Rolle des Naturschutzes im Schneller-Bauen-Gesetz. Unter anderem ist vorgesehen, dass für den Bau von Wohnungen und sozialer Infrastruktur Ausnahmen beim Schutz von Biotopen und Bäumen gemacht werden können. Kritiker sehen dabei den Naturschutz eingeschränkt. In einer gemeinsamen Stellungnahme hatten sich deshalb sechs Umweltverbände im April gegen den Referentenentwurf des Gesetzes gestellt. Das Schneller-Bauen-Gesetz sei »kein Kampf gegen einzelne Bereiche«, versicherte Gaebler. Es sei im Nachgang dieser Stellungnahme zu Gesprächen und Nachbesserungen gekommen. So soll über Fragen, die den Baumschutz betreffen, nun doch wieder ein Einvernehmen aller beteiligten Behörden hergestellt werden.
Werner Graf, Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, kritisierte in einer Pressemitteilung, dass das Schneller-Bauen-Gesetz »Doppelstrukturen« schaffe. Es untergrabe somit die geplante Verwaltungsreform. »Herr Graf hat das Gesetz offensichtlich nicht gelesen oder ist Opfer seiner eigenen Vorurteile geworden«, entgegnete Gaebler. Das Schneller-Bauen-Gesetz schaffe Doppelstrukturen ab und schaffe keine neuen. Für Gaebler ist es sogar eine Blaupause für die Verwaltungsreform: »Wir zeigen in einem Bereich, wie man Verwaltung besser organisieren kann.«
Zugleich dämpfte Gaebler die Erwartungen an das Gesetz. »Es wäre nicht seriös, zu sagen, dass wir jetzt sofort 30 000 Wohnungen mehr bauen«, sagte er. Bevor das Gesetz in Kraft tritt, muss es ohnehin noch mehrere Schleifen drehen: Zunächst soll es im Rat der Bezirksbürgermeister besprochen werden, bevor der Senat im August dann einen weiteren Beschluss fassen soll. In der ersten Sitzung des Abgeordnetenhauses nach der Sommerpause im September soll es dann in das Parlament eingebracht werden. »Ich gehe davon aus, dass wir das Gesetz noch in diesem Jahr beschließen, weil alle ein Interesse an einem schnellen Abschluss haben«, so Gaebler.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.