UN-Truppen sind meist zahnlose Tiger

Der Schutz der Zivilbevölkerung kommt bei den Missionen zu kurz

  • Judith Raupp, Goma
  • Lesedauer: 4 Min.
UN-Blauhelme aus Malawi patrouillieren im Osten Kongos. Bei der einheimischen Bevölkerung sind die Blauhelme unbeliebt, weil sie die erhoffte Stabilität nicht gebracht haben.
UN-Blauhelme aus Malawi patrouillieren im Osten Kongos. Bei der einheimischen Bevölkerung sind die Blauhelme unbeliebt, weil sie die erhoffte Stabilität nicht gebracht haben.

In Afrika sind die teuersten Friedensmissionen der Vereinten Nationen stationiert. Die Militäreinsätze im Südsudan, in der Zentralafrikanischen Republik, in der Demokratischen Republik Kongo und in Mali haben im Budgetjahr 2021/2022 insgesamt 4,7 Milliarden Dollar gekostet – rund drei Viertel des gesamten Budgets für die damals zwölf Friedensmissionen.

Doch die Blauhelmtruppen sind bei den Regierungen und der Bevölkerung in afrikanischen Einsatzländern unbeliebt. »Wir haben gehofft, dass die Massaker und die Vergewaltigungen mit der Präsenz der Blauhelme weniger würden. Leider ist das nicht der Fall«, sagt die kongolesische Frauenrechtlerin Odile Bulabula. Laut einer Studie des International Peace Institute in New York befürworten im Kongo 67 Prozent der Bevölkerung den Rauswurf der Blauhelme zum Jahresende.

Ein Grund für den Unmut sind die Mandate, die der Sicherheitsrat vergibt. Sie schreiben vor, dass das Uno-Militär nur Gewalt anwenden darf, wenn die Soldaten selbst in Gefahr sind oder wenn Zivilisten in ihrem Beisein angegriffen werden. Doch die bedrohte Bevölkerung wünscht sich mehr. »Wo bewaffnete Gruppen Menschen töten und dann im Busch verschwinden, müssen wir eine Truppe haben, die offensiv gegen diese Milizen kämpft und sie verfolgt«, sagt der kongolesische Aktivist Stewart Muhindo.

Solche Kampftruppen stellt die Uno in der Regel nicht. »Es fehlt am politischen Willen«, sagt Martin Kobler. Der inzwischen pensionierte deutsche Diplomat leitete die Uno-Mission im Kongo von 2013 bis 2015. Er setzte damals ein Mandat für eine offensive Brigade durch. Sie schlug die Rebellion der Miliz M23 nieder. Das Mandat ist immer noch gültig und damit das einzige dieser Art in den Uno-Missionen.

Auch die bestehenden Mandate lassen dem Uno-Militär eine gewisse Flexibilität. Sie könnten zum Beispiel ausrücken, wenn in der Nähe ihres Camps ein Dorf überfallen wird. Aber sie nutzen den Spielraum selten. »Wenn Gewalt droht oder bereits ausgebrochen ist, zögern die Friedenstruppen, sich einzumischen«, sagt Jenna Russo. Sie leitet die Forschung am International Peace Institute, das die Uno berät.

Der ivorische Journalist und Uno-Spezialist Abraham Kouassi wirft den Ländern, die Truppen stellen, vor, mehr am Geld als am Frieden interessiert zu sein. »Es sind arme Länder wie Bangladesch oder Pakistan, die Soldaten schicken und sich so von der Uno ihr Militär finanzieren lassen«, kritisiert Kouassi.

In seiner ivorischen Heimat waren die Blauhelmsoldaten von 2003 bis 2017 stationiert. Obwohl der Einsatz zur Stabilität des Landes beitrug, hatten die Uno-Soldaten einen zweifelhaften Ruf. Das Kämpfen hätten sie der ebenfalls stationierten französischen Armee überlassen, sagt Kouassi. »Das einzig Nachhaltige, was die Uno-Soldaten hinterlassen haben, sind Kinder«, findet er. Uno-Missionen geraten immer wieder in die Kritik wegen sexueller Ausbeutung. Wenn ein Täter überführt wird, wird er nach Hause geschickt. Die Fälle werden selten juristisch aufgearbeitet.

Die Uno will nun die heiklen Kampfeinsätze an die Afrikanische Union (AU) auslagern. Im September 2023 verabschiedete der Sicherheitsrat die Resolution 2719. Sie erlaubt eine Ko-Finanzierung von AU-Missionen, wobei die UN voraussichtlich den größeren Anteil übernehmen werden. Die Hoffnung sei, dass AU-Missionen von den Regierungen und der Bevölkerung in den Einsatzländern besser akzeptiert werden als UN-Truppen, sagt Lisa Sharland, Analystin am Stimson Center in New York. Man setze zudem darauf, dass afrikanische Soldaten größere Risiken eingehen als Soldaten aus Asien oder Lateinamerika. Denn sie stünden der Bevölkerung in den Einsatzländern näher. Außerdem sollte den afrikanischen Regierungen daran gelegen sein, Konflikte einzudämmen, bevor sie auf andere Länder übergreifen, so die Idee.

Ob diese Rechnung aufgeht, ist offen. Die kongolesische Regierung holte im Kampf gegen die Miliz M23 Truppen aus ostafrikanischen Ländern zu Hilfe. Denn die M23, unterstützt vom Nachbarland Ruanda, besetzt seit zwei Jahren erneut große Teile der rohstoffreichen Provinz Nord-Kivu. Das Uno-Militär bekämpft sie dieses Mal nicht, obwohl es das Mandat hätte. Auch die ostafrikanischen Truppen zogen nicht offensiv in den Krieg. Die Bevölkerung schäumte, und Kinshasa warf die Truppen wieder aus dem Land.

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