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Insider-Kritik an Wagenknecht-Partei
Unmittelbar nach Thüringer Landesparteitag verlässt ein Aktiver unter Protest den Landesvorstand
Was Mario Forchhammer moniert, verwundert letztlich wenig. Schließlich hatten Sahra Wagenknecht und ihre Getreuen bei der Gründung ihrer Partei im Januar ein striktes Top-Down-Verfahren angekündigt. Ein allzu basisdemokratisches Miteinander durften Menschen, die die akribische Aufnahmeprüfung bestanden haben, also nicht erwarten.
Forchhammer war bislang Mitglied des Thüringer BSW-Landesvorstands. Nun hat er seinen Rückzug aus dem Gremium bekanntgegeben. In einem am Dienstag auf der Onlineplattform X verbreiteten Brief wirft er den Landesvorsitzenden Katja Wolf und Steffen Schütz »Geklüngel« vor. Die Plätze auf der Liste zur Landtagswahl am 1. September seien vor allem mit Freunden der Thüringer Parteispitze besetzt worden. Forchhammer bemängelt »intransparente, autokratisch wirkende Entscheidungsfindungen«. Zudem fehle ihm eine »ehrliche, respektvolle, sachliche Kommunikation auf Augenhöhe« und Wertschätzung für seinen Einsatz für die Partei.
Das Wahljahr 2024 ist kein beliebiges. Schon lange nicht mehr war die Zukunft der Linken so ungewiss, noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik waren die politische Landschaft und die Wählerschaft so polarisiert, noch nie seit der NS-Zeit war eine rechtsextreme, in Teilen faschistische Partei so nah an der Macht. Wir schauen speziell auf Entwicklungen und Entscheidungen im Osten, die für ganz Deutschland von Bedeutung sind. Alle Texte unter dasnd.de/wahljahrost.
Auf dem ersten BSW-Landesparteitag am vergangenen Samstag entschieden tatsächlich gerade mal 39 anwesende Mitglieder über das Programm und die Kandidatenliste für die Landtagswahl, zu der das BSW mit immerhin 32 Kandidaten antritt. Der Thüringer Landesverband hat bislang nur 47 Mitglieder.
Die Ex-Linke Katja Wolf, scheidende Oberbürgermeisterin von Eisenach und Landeschefin, wurde mit 82,1 Prozent der Stimmen zur Spitzenkandidatin gewählt. Der Ko-Landesvorsitzende Steffen Schütz erhielt 84 Prozent Zustimmung und sicherte sich Platz zwei. Weitere Kandidaten sind die ehemalige Linke-Politikerin Sigrid Hupach (81,6 Prozent) und der Agrarwissenschaftler Frank Augsten (61,5 Prozent), der sich kritischen Fragen wegen seiner früheren Mitgliedschaft bei den Grünen stellen musste.
Das Parteiprogramm wurde nahezu einstimmig beschlossen, die wichtigsten Themen umfassen die Sicherung des sozialen Friedens, eine Bildungsreform, die Stärkung des ländlichen Raums und mehr soziale Gerechtigkeit.
Für Aufsehen sorgte der Wechsel des langjährigen MDR-Moderators Steffen Quasebarth nur wenige Tage vor dem Parteitag zum BSW und seine sofortige Berufung zum Sprecher des Landesvorstands. Zudem erhielt er den dritten Listenplatz (74 Prozent) für die Landtagswahl, der ihm den Einzug ins Parlament garantieren dürfte. Das BSW liegt in aktuellen Umfragen in Thüringen zwischen 13 und 16 Prozent und damit gleichauf mit der Linken von Ministerpräsident Bodo Ramelow.
Diese eilige Nominierung wirft Fragen auf, nicht zuletzt, weil das BSW in seinem Wahlprogramm die Einrichtung einer Enquete-Kommission zur Untersuchung der Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten fordert. Der MDR, bei dem Quasebarth über 30 Jahre tätig war, stand mehrfach wegen Intransparenz in der Kritik.
Genau diese Art der Kandidatenauswahl kritisiert nicht nur Ex-Vorstand Forchhammer. In seinem Schreiben heißt es zum Thema: »Dass zunächst ganz bestimmte Mitglieder mit einem Teil ihres Freundeskreises aufgenommen wurden, um die vorderen Listenplätze zu besetzen, und zahlreiche fleißige Unterstützer weitere Monate, vielleicht Jahre, warten müssen, lässt mich fassungslos zurück.«
Das BSW-Programm zur Thüringer Landtagswahl enthält klare Forderungen zur Sicherung der Pressefreiheit und zur objektiven Berichterstattung. »Insbesondere seit der Corona-Pandemie muss sich ein Teil der Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien mit dem Vorwurf auseinandersetzen, einseitig zu berichten«, heißt es darin.
Sahra Wagenknecht selbst beklagt immer wieder einen verengten »Meinungskorridor« in öffentlichen Debatten und kritisiert eine einseitige Berichterstattung der Medien, insbesondere im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg. Ihr Mitstreiter Quasebarth hingegen fokussiert seine Kritik auf die Pandemie-Berichterstattung und bemängelt eine unreflektierte Weitergabe von Aussagen einzelner Akteure durch die Medien.
Angesichts der Tatsache, dass Wagenknecht mit ihren Positionen seit Jahren über enorme Präsenz in den öffentlich-rechtlichen und anderen Medien verfügt, wirkt die pauschale Medienschelte bizarr. Zudem wirkt eine Partei, die mit dem Anspruch antritt, mehr Transparenz in der Politik und objektive Berichterstattung zu fördern, etwas unglaubwürdig, wenn ihre Spitzenpolitiker ihre Entscheidungen mit den eigenen Mitstreitern teilweise nicht einmal diskutieren.
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