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Klima-Hungerstreik in Berlin: Aktivisten rudern zurück

Zwei der Aktivisten wollten ab heute ganz auf Flüssigkeit verzichten. Doch sie haben sich umentschieden

Das weiße Zelt im Invalidenpark in Berlin-Mitte ist am Donnerstagvormittag voller als bei den letzten Pressekonferenzen der Kampagne »Hungern bis ihr ehrlich seid!«. Die Anwesenden erwarten die Ankündigung von Wolfgang Metzeler-Kick und Adrian Lack, ab heute in den »trockenen« Hungerstreik zu gehen, also auch auf Wasser zu verzichten. Dieser Schritt würde schon nach wenigen Tagen zum Tod führen. Dass Metzeler-Kick trotz seines Zusammenbruchs am Montag an diesem Plan festhalten möchte, hatte eine Pressesprecherin der Kampagne dem »nd« noch am Dienstag bestätigt.

Doch es kommt anders: »Die Hungerstreikenden möchten hiermit verkünden, dass sie heute nicht in den trockenen Hungerstreik treten werden«, sagt die Sprecherin der Kampagne, Marlen Stolze. Metzeler-Kick, genannt Wolli, fügt hinzu, dass er eine Woche lang ins »Refeeding« gehen werde. Er wird also, anders als die letzten 14 Tage, wieder Fruchtsaft zu sich nehmen, um seinem Körper wenigstens etwas Energie zur Verfügung zu stellen. Dasselbe gelte für Adrian Lack.

Die Aktivisten sagten, sie möchten mit diesem Schritt auf die Vorwürfe reagieren, dass sie den Bundeskanzler mit ihrem drohenden Tod erpressen würden. »Wir wollen Olaf Scholz die Möglichkeit geben, sich mit Menschen zu unterhalten, die nicht in akuter Lebensgefahr schweben«, so Stolze. »Er hat eine Woche Zeit und kann sich überlegen, ob er ein Gespräch mit uns wahrnehmen möchte.«

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Nach Ablauf der Wochenfrist würden die Aktivisten wieder in den absoluten Hungerstreik zurückkehren, so die Sprecherin der Kampagne. Sie würden sich auch die Option offenhalten, weiter zu eskalieren, also auch den nun verschobenen trockenen Hungerstreik zu beginnen.

Als weiteren Grund für die Kehrtwende führte Stolze an, dass es »in den vergangenen Tagen viele positive Signale aus der Politik« gegeben habe. Dabei wollte sie nicht genauer ins Detail gehen. Der Satz des Kanzlers, der menschengemachte Klimawandel sei die größte globale Herausforderung, reicht den Aktivisten jedenfalls nicht aus. Diese Aussage hatte Scholz kurz vor der Pressekonferenz in seiner Regierungserklärung getätigt. Eine solche fordert auch die Kampagne »Hungern bis ihr ehrlich seid!«. Allerdings soll der Bundeskanzler darin anerkennen, das es kein CO2-Restbudget gibt, sondern bereits jetzt Hunderte Gigatonnen zu viel davon in der Luft sind.

Richard Cluse, der sich auch im Hungerstreik befindet, machte dann aber doch noch deutlich, was er als positives Signal wertet: nämlich dass Scholz sich während eines Bürgerdialogs bei einer Fragestellerin nicht bedankte, nachdem sie ihn auf die Forderungen angesprochen hatte. Das deute Cluse als »dünnhäutig«. Metzeler-Kick ergänzte: »Immer wenn er ›1,5 Grad‹ ausgesprochen hat, ist er ins Stottern gekommen«. Ob es auch handfestere Anzeichen für eine positive Entwicklung gibt, als diese laienpsychologischen Analysen? Für die Aktivisten wäre es zu hoffen.

Deutlicher wurde auf der Pressekonferenz, dass es interne Meinungsverschiedenheiten gibt, was die Ziele der Kampagne angeht. Werden sich die Aktivisten am Ende mit einem Gespräch mit dem Bundeskanzler zufriedengeben? Reicht es möglicherweise sogar, wenn die Forderungen nicht von Scholz ausgesprochen, aber von der »Bild« abgedruckt werden? Das sind Fragen, auf die die Hungerstreikenden an diesem Donnerstag keine klaren Antworten geben wollten.

Als Metzeler-Kick nach der Pressekonferenz aus dem schwülen Zelt tritt, lächelt er. Vielleicht, weil er sich erst einmal gegen den trockenen Hungerstreik entschieden hat. Die Erleichterung steht jedenfalls vielen um ihn herum ins Gesicht geschrieben. Eine Frau mit weißem Arztkittel, auf dem »Scientist Rebellion« steht, wirft sich weinend in die Arme einer Mitstreiterin und schluchzt: »Ich bin so froh!«

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