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Mehr Beratung gewünscht
Der Medizinische Dienst prüft Klinikabrechnungen und begutachtet immer mehr Anträge zum Pflegebedarf
Der Medizinische Dienst hat vor allem zwei große Aufgabenfelder: Einmal trägt er zur Qualitätssicherung in Krankenhäusern bei, ist dort etwa mit der Abrechnungsprüfung beschäftigt. Zum anderen, und das dürfte weit mehr Menschen geläufig sein, sorgt er für die Begutachtung der Pflegebedürftigkeit. In diesen Verfahren, die in der Regel mit einem Hausbesuch verbunden sind, geht es um die Feststellung des Pflegegrades sowie um die Empfehlung von Hilfsmitteln bis hin zum barrierefreien Umbau von Wohnungen. Insgesamt soll der Dienst sicherstellen, dass die Leistungen der Kranken- und der Pflegeversicherung nach objektiven medizinischen Kriterien allen Versicherten zu gleichen Bedingungen zugutekommen.
Das ist aus mehreren aktuellen Gründen keine beschauliche Angelegenheit, wie der MD am Donnerstag bei seinem Kongress in Berlin bilanzierte. So werden dem Dienst laut dem Gesetzentwurf zur Krankenhausreform neue Prüfaufgaben zugeordnet: In Zukunft sollen auch die in den Kliniken vorgesehenen Leistungsgruppen unter die Lupe genommen werden. Den Gruppen sind bestimmte Vorgaben an Personal und Technik zugeordnet, die Krankenhäuser erfüllen müssen, damit sie die Leistungen überhaupt bei den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen können. Der Dienst soll dann prüfen, ob die Voraussetzungen bestehen. In diesem Zusammenhang warnt MD-Vorstand Stefan Gronemeyer davor, dass die Qualitätskriterien im Ringen um die Reform aus politischen Gründen »weichgespült« werden.
Zu große Abstriche bei den Vorgaben könnten die Reform gefährden. »Wenn zum Beispiel für eine Leistungsgruppe mindestens drei Fachärzte notwendig sind, was heißt das dann, wenn einer davon im Urlaub ist, ein anderer in Elternzeit?«, fragt Gronemeyer und verlangt eindeutig überprüfbare Qualitätskriterien. Insgesamt sieht sich der Dienst durchaus in der Lage, neue Prüfaufgaben zeitgerecht und »mit Augenmaß« übernehmen zu können.
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Laut dem Gesetzentwurf zur Krankenhausreform könnten – Stichwort Bürokratieabbau – Einzelfallprüfungen bei den Abrechnungen durch sogenannte »strukturierte Stichprobenprüfungen« ersetzt werden. Der Anteil der Überprüfungen wurde schon bei einer früheren Gesetzesänderung heruntergefahren. Je nach Prüfergebnis im Vorquartal dürfen fünf, zehn oder 15 Prozent der Abrechnungen eines Krankenhauses je Quartal überprüft werden. Ein hoher Anteil an unbeanstandeten Rechnungen führt zu einer niedrigen Prüfquote. Ziel des Vorgehens ist, dass Krankenhäuser zu Unrecht eingenommene Mittel den gesetzlichen Versicherungen zurückerstatten. 2023 wurden 1,4 Millionen Krankenhausabrechnungen überprüft. Die Rückerstattung funktioniere einigermaßen, der Anreiz zur korrekten Abrechnung aus MD-Sicht aber noch nicht. Von den geprüften Fällen seien kontinuierlich etwa die Hälfte nicht korrekt abgerechnet.
Bei den Pflegebegutachtungen sind die Zehlen in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Demografischer Wandel und Leistungsverbesserungen durch die Pflegereform 2017 führten dazu, dass 2023 2,88 Millionen Mal begutachtet wurde. Im Jahr 2017 waren es noch 1,8 Millionen Fälle. Insofern sieht sich der MD nicht unbedingt überrascht von einer explodierten Zahl der Pflegefälle, wie sie kürzlich Gesundheitsminister Karl Lauterbach konstatierte.
Jedoch hatte man die Zahl der Fälle unterschätzt, die nach der Reform von 2017 einen Pflegegrad neu zuerkannt bekommen sollten. Vor allem Pflegegrad 1 ist zu nennen, der auf den Bedarf demenziell erkrankter Menschen ausgerichtet ist, erklärte Carola Engler, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Medizinischen Dienstes. Bei den Begutachtungen 2023 erhielten 17 Prozent der Antragsteller Pflegegrad 1. Pflegegrad 2 erhielten 31 Prozent, bei Pflegegrad 3 waren es 25 Prozent, weitere zwölf Prozent bei Pflegegrad 4 und fünf Prozent bei Pflegegrad 5. Knapp zehn Prozent der Antragstellenden wurden als nicht pflegebedürftig eingestuft.
Überraschend stark, nämlich um 20 Prozent, sei die Zahl Pflegebegutachtungen bei Menschen unter 50 Jahren im Vorjahr angestiegen. Das habe vermutlich mit Pandemiefolgen, aber nicht nur mit Long Covid zu tun. Gesetzlichen Handlungsbedarf sieht Engler für das ganze Thema: »Die Pflegebedürftigen müssen auf den schnellen und bedarfsgerechten Leistungszugang vertrauen können.« Dass gerade letzterer nicht sicher ist, sieht auch der MD. Es fehlen Fachkräfte sowohl bei den ambulanten Diensten als auch in den Heimen. Ein festgestellter Pflegegrad garantiert die professionelle Versorgung immer weniger.
Bei der Aufwertung der Pflegeberufe sei es allerdings aus MD-Sicht falsch, diese Begutachtung Pflegekräften zu übertragen. »Das hilft nicht«, erklärte Engler, »hier gibt es Interessenkonflikte, da die Pflegenden bei Heimen oder ambulanten Diensten angestellt sind.« Monetäre Erwägungen und Erwartungen könnten die Entscheidungen beeinflussen. Für die Pflege wäre es zudem eine weitere Aufgabe, die mögliche Zeit in der direkten Arbeit mit den Patienten beziehungsweise Klienten würde noch kürzer.
Zudem stellten die Gutachter bei den Hausbesuchen immer häufiger Bedarf an unabhängiger Beratung fest. Diese will der MD stärken. Zur Weiterentwicklung eigener Angebote führt der Dienst wissenschaftliche Projekte durch – etwa zu Telefon- und Videobegutachtungen. Der Hausbesuch sei für Erstbegutachtung unverzichtbar. Neue Formate müssen zudem durch den Gesetzgeber in größerem Rahmen ermöglicht werden.
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