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Japanische Mode: Spitzenunterwäsche, maskulin
Japanische Ästhetik ist international en vogue. Das dürfte auch an der »Cool Japan«-Kampagne des Inselstaats liegen
Wer sich dieser Tage auf japanischen Straßen umschaut, sieht so viele ausländisch gelesene Gesichter wie wohl noch nie. Die Zahl von Besuchern aus Übersee erreicht derzeit Rekordwerte. Aus China, Südkorea aber auch westlichen Ländern kommen insbesondere immer mehr jüngere Menschen nach Japan. Es hilft wohl, dass die japanische Währung Yen gerade historisch schwach ist. So ergibt sich für die globale Generation Z eine einmalige Chance: Shopping in Tokio zu erschwinglichen Preisen.
Und das ist gerade für modewusste Leute ein wahrgewordener Traum. Denn japanische Designerinnen und Marken erleben seit einigen Jahren einen Boom: Nicht nur in der Laufstegmode – wo etwa im Februar der einstige Rockstar Yoshiki Hayashi mit seiner von Kimonos und Punk inspirierten Linie die Mailänder Modewoche in Staunen versetzte – sind stilistische Entwicklungen aus dem ostasiatischen Land angesagt. Ähnliches zeigt sich bei diversen Marken in allen möglichen Segmenten.
Der wohl populärste Hersteller abseits der Haute Couture ist die seit Jahren weltweit boomende Marke Uniqlo, deren Erfolg bei genauerem Hinsehen paradox anmutet: Verantwortliche betonen, Uniqlo sei gar keine Marke – auf Kleidungsstücken sei nämlich in der Regel kein Logo zu sehen. In Japan selbst ist Uniqlo zudem zwar ebenfalls höchst erfolgreich, gilt aber nicht wirklich als modisch, eher als stilvolle Grundausstattung, die andere Kleidungsstücke gut hervorheben kann.
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Junge Europäerinnen und Europäer aber schwärmen seit Jahren von Uniqlo als günstiger, lakonischer und vielseitig einsetzbarer Marke. Typisch japanisch eben, würden viele hinzufügen. Denn dies fällt an erfolgreichen Marken aus Tokio, Osaka, Kyoto und anderen Städten aus Japan auf: Oft betonen sie Schlichtheit, häufig in pastelligen Tönen und einfarbigen Designs. Visuell überladen ist kaum etwas, das aus Japan kommt. Und das scheint allseits zu gefallen.
So veröffentlichte das deutsche Lifestyle-Magazin »GQ« Anfang des Jahres einen großen Überblick zu japanischen Marken, die man nicht nur kennen, sondern auch im Kleiderschrank haben solle. Japanische Designs zeichneten sich aus durch Funktionalität, Minimalismus, aber auch hohe Qualität. Traditionell kunstvolle Muster oder Origami-Faltlooks – wie etwa bei Issey Miyake – stehen heute neben einem straßentauglich gemachten Militärlook, den es bei WTAPS zu sehen gibt.
Der Aufstieg japanischer Mode bewegt sich parallel zu einer wachsenden Beliebtheit japanischer Ästhetik generell. Die Zahl von Reisenden aus Europa, die Japan ansteuern, hat sich seit 2011 verdreifacht, Tendenz steigend. Immer wieder wird nach der Reise vom eleganten Aussehen so vieler Menschen in Japan geschwärmt, aber auch von der geordneten Stadtplanung, schlichten Inneneinrichtung, durchdachten Anordnung von Tellergerichten und der harmonischen Atmosphäre des sozialen Lebens allgemein.
Fast erscheint es, als erlebe die Welt gerade eine neue Ära des Japonismus. Unter diesem Schlagwort wurde Japans Kultur – von bildender Kunst bis Alltagsästhetik – ab Mitte des 19. Jahrhunderts im europäischen Bürgertum populär. Europas Künstlerinnen, von Vincent van Gogh bis Gustav Klimt, entdeckten die Ukiyo-e-Gemälde von Katsushika Hokusai, die Farbholzschnitte von Utagawa Hiroshige und den Zen-Buddhismus. Es war eine Zeit, in der Europa sich vom Osten faszinieren ließ und sich zugleich Japan dem Westen öffnete.
Ein bisschen ähnlich ist es heute. Denn japanische Mode ist kaum selbstbezogen. Ein Beweis dafür sind schon die häufig ausländischen Markennamen erfolgreicher Designerinnen. So kürzt der Name Bape – eine eher teure Marke mit Inspiration aus der Hip-Hop-Mode – »Bathing Ape« ab und deutet auf Affen hin, die in lauwarmem Wasser baden, sich mit sich selbst wohlfühlen. Der Name ist ein Hinweis auf die wohlhabende Kundschaft von Bape. Zu ihnen zählen die Hip-Hopper Jay-Z und Pharrell Williams.
Ein anderes Beispiel ist die 1969 gegründete Marke Comme des Garçons. Aus dem Französischen entnommen bedeutet der Name »so wie Jungs« und enthält eine offensichtliche Kritik an Politik und Geschlechterverhältnissen: Comme des Garçons fällt durch nicht allzu figurbetonte Kleidung für Frauen auf, wie jene für Jungs eben. Im japanischen Büroalltag wird von Frauen hingegen oft erwartet, Heels, Rock und Strumpfhosen zu tragen. Comme des Garçons leistete insofern Pionierarbeit, als dass die Mode des Hauses nicht zwanghaft feminin wirkte. Heute gibt es weltweit Comme-des-Garçons-Stores, Gründerin und Chefdesignerin Rei Kawakubo ist eine Ikone.
Für die Rolle des Pioniers hat sich vor Kurzem ein weiteres japanisches Unternehmen in Stellung gebracht: Der Unterwäschehersteller Wacoal, der nun auch mit Geschlechterrollen spielt. Bisher ist das Unternehmen dafür bekannt gewesen, besonders feminine Unterwäsche zu designen, in Weiß oder Rosa und mit viel Spitze. Das ist zwar auch weiterhin so – allerdings richtet sich der Konzern damit seit 2021 auch an Männer.
Und die Spitzenunterwäsche für Herren – die unter anderem damit beworben wird, dass sie nicht nur »genderless« (geschlechtslos) sei, sondern sich in Japans heißen Sommern auch besonders bequem und leicht anfühle, sodass man kaum schwitze – hat sich schon als Verkaufsschlager herausgestellt. Die Produktion ist ausgeweitet worden, wenn auch bisher nur in Japan. Ob das ostasiatische Land auch auf diesem Feld bald zum internationalen Trendsetter wird, bleibt abzuwarten.
Dabei dürfte der Aufstieg vieler japanischer Marken auch mit den Mühen des Staates zu tun haben. Vor gut zehn Jahren machte sich Japans Regierung nämlich daran, unter dem Banner »Cool Japan« diverse Kulturprodukte aus Japan weltweit zu bewerben. Steuermittel wurden unter anderem dafür ausgegeben, Japans kreative Industrien – von Anime und Manga bis zu traditioneller Handwerkskunst – weltweit anzupreisen.
Für die Kampagne hatte man sich Inspiration aus Großbritannien geholt, wo in den 1990er Jahren der Begriff »Cool Britannia« zu einem Medienphänomen geworden war: Britpop, britische Mode, britische Kunst waren weltweit en vogue. Japan wollte das auch, der Staat stieg ein. Dem Premierminister untergeordnet fördern Bürokraten bis heute japanische Marken mit Steueranreizen und PR-Veranstaltungen. Die Zeitung »Japan Times« erklärte »Cool Japan« 2021 zu einem Erfolg.
Derart erfolgreich, dass man sich im Westen wie zu Zeiten des Japonismus mit Allusionen ans Japanische versucht. So stellte Social-Media-Star Kim Kardashian im Jahr 2019 eine Unterwäschelinie namens »Kimono« vor, ein Wortspiel aus Kardashians Vornamem und der traditionellen japanischen Robe. Aber was international als originell gegolten haben mag, kam in Japan nicht gut an. Nicht nur, weil die Unterwäsche mit einem Kimono wenig zu tun hatte. Es kam der Vorwurf kultureller Aneignung auf.
Auf Twitter wurden Tweets populär, die etwa klagten: »Bitte klau nicht unsere Kultur!« Kyotos Bürgermeister Daisaku Kadokawa – in dessen Stadt Kimonos besonders viel getragen werden – forderte Kardashian in einem offenen Brief auf, den Namen ihrer Modelinie zu ändern. Das Thema wurde global so heiß, dass Kardashian klein beigab, ihre Marke auf »Skims« umtaufte. Japan mag ein weltoffenes Land sein, das sich längst globalisiert hat. Aber Nationalismus existiert dort weiterhin, auch in der Mode.
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