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»Monopoly«: Tristesse auf dem Brett
Wenn man den Kapitalismus nachspielt, wird er auch nicht besser
Die Geschichte des Brettspiels »Monopoly« ist ja eigentlich selbst ein Witz – bzw. ein Lehrstück über die Unmöglichkeit, den Kapitalismus innerhalb seiner eigenen begrifflichen Grenzen zu kritisieren. Entwickelt wurde es als Satire, als traurige Simulation des kapitalistischen Konzentrationsprozesses: Am Ende gehört einer*m alles, den anderen nichts. Elizabeth Magie war es, die 1904 das Patent für ihr »Landlord’s Game« anmeldete und es als Werbung für eine solidarische Grundsteuer verstand.
Die Satire wurde bekanntlich von der Realität eingeholt: »Monopoly« verkaufte sich wie verrückt, wurde erst Bestseller, dann Brettspiel-Standard – und Propaganda für den real existierenden Kapitalismus. Mit vollem Ernst versuchen seither Menschen, bei einem Spiel einer Wirklichkeit zu entfliehen, das diese Wirklichkeit in ihrer ganzen Tristesse widerspiegelt. Es macht deswegen eigentlich keinen Spaß; erfahrungsgemäß steht ab etwa der Hälfte die gewinnende Person fest, und während ihr alle beim Siegen zusehen, zieht sich das Endspiel stundenlang hin – also fast wie im richtigen Leben.
Immer wieder gab es Bemühungen, das Spiel über Parodien auf seine kapitalismuskritischen Wurzeln zurückzuführen; in den 70ern und 80ern wimmelte es von »Ökopolys«, »Anti-Monopolys«, dem »MAD-Spiel« und vergleichbaren Produkten. Sie konnten sich aber nie so durchsetzen wie das Original – und die über 150 Varianten, die das Mutterunternehmen ausspuckte. Gerade in letzter Zeit boomen die Derivate: So hat fast jede deutsche Stadt, ob Fulda oder Duisburg, mittlerweile eine eigene Monopoly-Variante. Es gibt Monopoly Star Wars, Monopoly Barbie, Monopoly Supermario und Monopoly Game of Thrones; sogar ein Monopoly Katzen wurde schon gesichtet. Fast immer ist das Prinzip mit geringen Abweichungen identisch – und beweist damit, dass der Kapitalismus jede Träumerei, jede fantastische Fluchtmöglichkeit auf die Marktgesetze zu reduzieren in der Lage ist; endlose Variationen im rasenden Stillstand eines standardisierten Produkts, dessen Diversifikation und Entwicklung nur vorgetäuscht sind.
Leo Fischer ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chef des Satiremagazins »Titanic«. In seiner Kolumne »Die Stimme der Vernunft« unterbreitet er der Öffentlichkeit nützliche Vorschläge. Alle Texte auf: dasnd.de/vernunft
2019 kam sogar »Monopoly Sozialismus« auf den Markt. Vorgeblich soll es die Möglichkeit gemeinschaftlicher Projekte simulieren. Implizit war es aber ein Versuch, das bisschen Sozialismus, über das überhaupt noch nachgedacht werden darf, verächtlich zu machen. Dass US-republikanische Hardliner wie Ted Cruz das Spiel lobten, als Warnung vor den Gefahren des Kollektivismus, war kein Zufall. Das Spiel bekam miserable Kritiken und wurde schnell vergessen; eine missgünstige, ja ödipale Pointe des Konzerns auf die Ursprünge des eigenen Erfolgs.
Währenddessen kann man die Spiele, die ein Ausbrechen aus den Prinzipien von Konkurrenz und Akkumulation erlauben, an zwei Händen abzählen. Fast scheint es, als reiche unsere Fantasie nicht aus, selbst in der Freizeit etwas anderes zu tun, als Marktmechanismen kultisch nachzuahmen – und immer wieder über Los zu ziehen.
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