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Thüringer Landtag: »Sachfremde Machtspiele«
Der Thüringer Landtag blamiert sich bei Wahlen für wichtige Posten. Schon wieder
Weder die Parlamentarische Kontrollkommission noch der Thüringer Verfassungsgerichtshof sind unwichtige Organe für den Freistaat. Die sogenannte PKK wacht zum Beispiel darüber, dass der Verfassungsschutz wirklich nur diejenigen abhört, die er abhören darf und dass bei der Bezahlung von Spitzeln des Nachrichtendienstes alles mit rechten Dingen zugeht. Ohne Kontrolle kann das schiefgehen, wie der NSU-Skandal gezeigt hat. Die Aufklärungsarbeit, die nach der Selbstenttarnung des »Nationalsozialistischen Untergrunds« geleistet worden ist, hat immer wieder gezeigt, welches Eigenleben insbesondere der Thüringer Verfassungsschutz entwickelte, als die Kontrolle dieses Nachrichtendienstes versagt hatte.
Und dass der Verfassungsgerichtshof als das oberste Gericht des Landes eine zentrale Funktion innerhalb des demokratischen Systems hat, muss man kaum ausführlich erläutern.
Trotzdem sind die Abgeordneten des Thüringer Landtages erneut daran gescheitert, sowohl die PKK als auch den Verfassungsgerichtshof so zu besetzen, wie die gesetzlichen Vorgaben es vorsehen. Weder die von den rot-rot-grünen Fraktionen vorgeschlagene Bewerberin für das Amt einer stellvertretenden Verfassungsrichterin, Ute Jung, noch der von der Linken vorgeschlagene Kandidat zur Besetzung der PKK, André Blechschmidt, erhielten vergangenen Donnerstag im Landtag die nötige Mindestanzahl an Stimmen. In beiden Fällen gilt: schon wieder nicht.
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Vor allem die Nicht-Wahl Jungs ist rational kaum zu begründen: Immerhin gehörte die Juristin seit 2017 dem Verfassungsgericht als stellvertretendes Mitglied an. Ihre Amtszeit ist erst vor wenigen Monaten zu Ende gegangen. Kritik an ihr gab es – jedenfalls öffentlich – nie.
Bei der PKK ist die Sache komplizierter. Mehrere Abgeordnete, die durch Rot-Rot-Grün für einen Sitz in dem Gremium vorgeschlagen worden waren, gelten manchen CDU-Abgeordneten als unwählbar; auch wenn der CDU-Fraktionsvorsitzende Mario Voigt im Vorfeld der bisherigen Abstimmungen regelmäßig erklärt hatte, er halte – schließlich ebenfalls durchgefallene – Kandidaten wie etwa den Linke-Fraktionsvorsitzenden Steffen Dittes durchaus für wählbar. Zweifellos aber ist Blechschmidt – der parlamentarische Geschäftsführer der Linken im Landesparlament – einer der anerkannten Linken im Freistaat; für den es nun aber wieder nicht gereicht hat.
Rot-Rot-Grün und die CDU werfen sich erneut gegenseitig vor, nicht die vorher verabredeten Stimmen geliefert zu haben, sowohl für die Wahl Jungs als auch für die Blechschmidts, die beide eine Zwei-Drittel-Mehrheit brauchten. Um die zu erreichen, müssen Rot-Rot-Grün und die Union bei diesen Abstimmungen zusammenstehen.
»Die CDU-Fraktion hat geschlossen gewählt«, sagt der parlamentarische Geschäftsführer der Union, Andreas Bühl. Es sei »schäbig«, dass die Linke versuche, ihre innere Zerstrittenheit auf dem Rücken anderer auszutragen. Die Linke wiederum hatte zuvor erklärt, die CDU habe nicht wie verabredet abgestimmt – einzig mit dem Ziel, der Koalition kurz vor der Landtagswahl zu schaden. »Während die Nichtwahl zur Parlamentarischen Kontrollkommission als Ergebnis einer strategischen Entscheidung verstanden werden kann, ist die erneute Nichtwahl von Jung ein desaströses Zeichen für die repräsentative Demokratie und ihrer Verantwortung für die Verfassungsorgane«, sagt Dittes.
Weil sowohl die PKK-Wahl, als auch die Verfassungsrichterinnen-Wahl geheim stattfinden, wird sich nicht zweifelsfrei feststellen lassen, aus welchem Lager die nötigen Stimmen gefehlt haben. Deshalb sagt die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Dorothea Marx: »Hier werden im Schutz der Anonymität von geheimen Wahlen sachfremde Machtspiele ausgetragen.« Die Ergebnisse beider Wahlen hätten nichts mit den für die entsprechenden Positionen vorgeschlagenen Personen zu tun.
Aus Sicht der Grünen belasten die Ergebnisse beider Abstimmungen die Ausgangslage der Koalition vor der Landtagswahl am 1. September. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Madeleine Henfling, sagt, die verpassten Besetzungen würden »kein gutes Licht auf die Zusammenarbeit werfen, die wir in den nächsten Monaten unbedingt brauchen werden«.
Wie es weitergeht, ist offen. In dieser Woche bietet sich eine letzte Möglichkeit in dieser Legislaturperiode, sowohl die Posten in der PKK als im Verfassungsgerichtshof zu besetzen.
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