Film »Problemista«: Unverfroren eigenwillig

Julio Torres’ Indie-Komödie »Problemista« karikiert das US-Einwanderungssystem

  • Gabriele Summen
  • Lesedauer: 4 Min.
So schaut man drein, wenn man mit Behörden zu tun hat.
So schaut man drein, wenn man mit Behörden zu tun hat.

"Nur, wer sein Ziel kennt, findet den Weg«, schrieb der Philosoph Laotse im sechsten Jahrhundert vor Christus. Die schier unüberwindbaren Hürden der US-Einwanderungspolitik hatte er damals bestimmt noch nicht im Blick.

Alejandro, ein Immigrant aus El Salvador, der in New York lebt, kennt sein Ziel eigentlich ganz genau: Er will Spielzeugentwickler bei der Firma Hasbro werden. Doch das kafkaeske US-Einwanderungssystem macht es Alejandro, der von dem Regisseur, Autor und Ko-Produzenten Julio Torres selbst gespielt wird, fast unmöglich, sein Ziel zu erreichen.

Isabella Rossellini erzählt wie eine Märchentante aus dem Off seine in magisch-realistischen Bildern eingefangene Geschichte:

Zu Beginn jobbt Alejandro bei einem Unternehmen, bei dem man sich einfrieren lassen kann, um sich in einer technisch weiter entwickelten Zukunft hoffentlich wieder auftauen zu lassen. Alejandro ist für den erfolglosen Maler Bobby (RZA) zuständig, der sich aufgrund seiner Krebserkrankung dieser Prozedur anvertraut hat. Doch da Alejandro über das Kühlschrankkabel stolpert und so kurz die Stromversorgung unterbricht, wird er gnadenlos gefeuert. Nun hat er genau einen Monat Zeit, einen weiteren Arbeitgeber zu finden, bevor er ausgewiesen wird.

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Bobbys Ehefrau Elizabeth, eine überspannte Kunstkritikerin, die gewohnt großartig von Tilda Swinton verkörpert wird, engagiert ihn als ihren Assistenten und will sein Visum mitunterzeichnen; aber nur, wenn es ihm gelingt, gemeinsam mit ihr eine Ausstellung der 13 scheußlichen Eierbilder ihres verkannten Künstler-Ehemanns zu organisieren.

Doch so eine Chefin wie Elizabeth wünscht man seinem ärgsten Feind nicht: Hysterisch, paranoid und ausgesprochen unhöflich gegenüber anderen, hält sie den süß-schüchternen Alejandro auf Trab.

Ein extrem gegensätzliches Paar, was in vielen Filmen auch funktioniert, jedoch geht einem die Zurückgenommenheit und Ausdruckslosigkeit Alejandros nach einer Weile auf die Nerven und verstärkt den Eindruck, dass der Film zuweilen auf der Stelle tritt.

Doch womöglich tut man dem Millenial Torres ein wenig Unrecht, vielleicht kommt sein gutmütig-verträumter Alejandro bei einem jüngeren Publikum besser an. In Amerika feierte er auf jeden Fall mit seinem lakonischen Humor, dem er als Stand-up-Comedian bei »Saturday Night Live« ebenso frönt, bereits beachtliche Erfolge. Auch die innovative Horror-Comedy-Serie »Los Espookys«, bei der Torres einen der Protagonisten spielt und ebenfalls am Skript mitgeschrieben hat, löste bei vielen Begeisterungsstürme aus.

Und Torres’ Debütfilm hat durchaus hübsche Ideen und großartige Momente: So imaginiert Alejandro eine Sanduhr, die seinen schwindenden Aufenthaltsstatus versinnbildlicht. Bei der Einwanderungsbehörde beobachtet der fantasievolle Alejandro einmal, wie eine Frau, deren Aufenthaltsstatus abgelaufen ist, sich in Luft auflöst. Auch der verworrene Bürokratiemarathon, den Alejandro zu absolvieren hat, wird durch ein stufenförmiges Labyrinth, das an Terry Gilliams Film »Brazil« denken lässt, ansprechend veranschaulicht.

Seine Joberfahrung bei Craigslist, einer Online-Kleinanzeigen-Webseite, führt vor Augen, wie erniedrigend die meisten Arbeitsmöglichkeiten für Immigranten sind. In seiner Verzweiflung putzt Alejandro sogar einmal halbnackt Fenster für einen Fetischisten. Doch wirkt diese Szene leider, wie andere auch, als hätte man ihr die Humorspitzen gekappt.

Man wird nicht recht schlau aus Torres’ Protagonisten, der federnd durch das Leben schlappt. Selbst seine Hintergrundgeschichte, die ansatzweise in Rückblenden erzählt wird, mit einer künstlerisch ambitionierten Mutter, die eine traumhafte Umgebung für ihn erschuf, gewährt kaum tiefere Einblicke in seinen Charakter. Die Elizabeth vergönnten Rückblenden mit ihrem Ehemann, den sie aufrichtig liebte, funktionieren da schon besser, hier darf sich Swinton auch einmal von ihrer sanften Seite zeigen, sodass ihre Figur nicht zur Karikatur verkommt.

Doch im Gegensatz zu Bobby braucht Torres sich nicht einfrieren lassen, um einer verheißungsvolleren, künstlerischen Zukunft entgegenzusehen. Seine unverfroren eigenwillige Indie-Komödie hat interessante Ansätze, scheitert aber zuweilen an seinem Humor, der nicht jedermanns Sache ist, sowie daran, dass seine ironische Darstellung der amerikanischen Einwanderungsbestimmungen pointierter hätte ausfallen müssen.

Dennoch kann man das Vertrauen, das die Filmproduktionsfirma A24 in ihn steckt, durchaus nachvollziehen. Haben deren Verantwortliche doch in der Regel einen guten Riecher für außergewöhnliche Regisseure und Produktionen. Beispielsweise gehen großartige Filme wie die Science-Fiction-Komödie »Everything Everywhere All at Once«, das Liebesdrama »Past Lives« und der in einer nahen Zukunft spielende Actionfilm »Civil War« auf ihr Konto.

»Der Weg ist das Ziel«, wie ein anderer chinesischer Philosoph vor mehr als zweieinhalbtausend Jahren schrieb. Man darf also durchaus auf Torres’ nächsten Film gespannt sein.

»Problemista«: USA 2023. Regie: Julio Torres. Mit: Julio Torres, Tilda Swinton, RZA. 98 Minuten. Start: 13.6.

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