Ein Papst bei den G7

Die rechtsextreme italienische Regierung will den Gipfel in Apulien zur Profilierung nutzen

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 5 Min.

Papst Franziskus als Experte für Künstliche Intelligenz (KI)? Von selbst wäre man wohl nicht auf diese Idee gekommen, aber tatsächlich läuft das Oberhaupt der Katholischen Kirche als unerwarteter Spezialgast beim 50. G7-Treffen auf. Die italienische Regierung schafft mit dieser Einladung einen Präzedenzfall, denn einen Papst hat man noch nicht sitzen sehen am G7-Tisch. Reden soll er über KI, aber man darf gewiss sein, dass Franziskus sich Worte gegen die Kriege in der Welt nicht verkneifen wird.

Der Tagungsort hat es in sich: Gelegen in der süditalienischen Region Apulien, dort, wo sich sonst Popstars wie Madonna und die Beckhams »Gute Nacht!« sagen, quartieren sich für drei Tage die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten ein: Borgo Egnazia, ein Luxus-Resorts mit 28 Villen sowie 63 Suiten oder Zimmer in, wie es heißt, traditionell apulischem Baustil. In dem 15 Jahre alten Touristenkomplex kann der Preis eines Doppelzimmers schon mal 2700 Euro pro Nacht übersteigen. 2012 heiratete dort auch der US-Sänger Justin Timberlake Schauspielerin Jessica Biel, umgeben von 80 Gästen und mit einem geschätzten Budget von mehreren Millionen Euro. Natürlich alles unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Ein passendes Setting für das G7-Treffen: Wie in einem goldenen Käfig, abgeriegelt von der Außenwelt, brüten Scholz, Macron, Biden, Trudeau, Sunak, Kishida und natürlich Gastgeberin Giorgia Meloni über Lösungen für die globalen Krisen. Traditionell mitbrüten dürfen auch die EU-Spitze aus Ratspräsident Charles Michel und Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Die will am Donnerstag Giorgia Meloni auch unter vier Augen treffen. Man kennt sich von gemeinsamen Reisen nach Nordafrika, hat gemeinsam Staaten wie Tunesien oder Ägypten Abkommen gegen Geld aufgedrängt, damit diese die Flüchtlinge im Land festhalten.

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Die Hotelanlage von Borgo Egnazia ist als Hochsicherheitsbereich ausgezeichnet und als sogenannte rote Zone nicht zugänglich, die Zufahrt für Privatfahrzeuge nicht gestattet. Proteste sollen so unterbunden werden, ganz im Stil aller mit großem Pomp organisierten G7-Treffen, seitdem 2001, beim Treffen in Genua, ein Carabiniere den Demonstranten Carlo Giuliani erschossen hat. Die Regierung hat das italienische Militär per Dekret kurzerhand mit Polizeiaufgaben betraut.

Dennoch wird es Protestaktionen geben. Ein großes Netzwerk aus Gipfelgegnern hat verschiedene Aktionen vorbereitet, zum Beispiel ein »Essen der Armen« am Donnerstag. Im Aufruf dazu heißt es, dass die G7-Vertreter beim Eröffnungsdinner in Brindisi »keine willkommenen Gäste« seien, sondern »Krieg, Tod und Zerstörung« repräsentieren würden. »Dem Abendessen derer, die die Welt mit Kriegen und Klimawandel aushungern, wird der NOG7 Coordination Table (...) das ›Dinner of the Poor‹ entgegensetzen.«

Eine große Gegendemonstration ist für Samstag angesetzt, und zwar in Fasano, der Kleinstadt, die dem Touristenkomplex Borgo Egnazia am nächsten liegt. Die Aktivisten der globalen Graswurzelbewegung Debt for Climate werden auf beiden Veranstaltungen ein drei Meter hohes trojanisches Holzpferd dabei haben; es soll die seit 50 Jahren andauernde neoliberale Attacke der G7 gegen eine gerechtere Welt und für die Fortsetzung kolonialer Ausbeutung symbolisieren. Zentrales Ziel von Debt for Climate ist daher die Streichung der Staatsschulden des Globalen Südens.

»In den nächsten Tagen werden die mächtigen Staatsoberhäupter des Globalen Nordens, abgeschottet vom Rest der Welt, über globale Themen wie Krieg und Frieden, Energieversorgung, Migration und Ernährungssicherheit diskutieren«, sagt Charlotte Kehre von Debt for Climate Deutschland gegenüber »nd«. Dabei gehe es jedoch nicht um ein gutes Leben für alle Menschen, sondern um »die Absicherung von Profitinteressen«. Daher habe man sich mit Menschen vor Ort in Italien organisiert, um gegen die G7 auf die Straße zu gehen.

Die Proteste dürften Gastgeberin Meloni kaltlassen. Der G7-Gipfel soll ihr großer Erfolg werden. Meloni strebt eine Führungsrolle an – in Europa und auf globaler Ebene. Die Parlamentswahlen im September 2022 hat sie deutlich gewonnen, bei der Europawahl konnte sie sich als stärkste politische Kraft behaupten, auch wenn Stimmen verloren gegangen sind. Beim G7-Gipfel in Borgo Egnazia will sie Führungsstärke zeigen, richtig auf den Putz hauen und die Politik ihrer rechtsextremen Regierung als Modell verkaufen.

Die Themen, die in den sechs Arbeitssitzungen angesprochen werden sollen, sind keine große Überraschung. Es geht um den Ukraine-Krieg, die Lage im Nahen Osten, Klimawandel und Entwicklung, speziell in Afrika, wirtschaftliche Sicherheit im indopazifischen Raum, Migration sowie Künstliche Intelligenz und Energie. Die Themen Migration und Afrika sind der italienischen Regierung besonders wichtig.

Die neofaschistische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni schreit am lautesten, wenn es um die Abwehr von Schutzsuchenden geht. Bevor sie Regierungschefin wurde, warf sie über Jahre den Vorschlag einer Seeblockade rund um die EU-Staaten am Mittelmeer in die Diskussion, um Bootsflüchtlinge an der Weiterfahrt nach Europa zu hindern. Beim Thema Migration hat sie einen ebenso rücksichtslosen wie fanatischen Verbündeten in Matteo Salvini von der Lega, der als Mobilitätsminister dem Kabinett angehört.

Inspiriert von der britischen Regierung, die Asylsuchende nach Ruanda deportieren will, sollen Bootsflüchtlinge, die von der italienischen Küstenwache aufgegriffen werden, zukünftig nach Albanien gebracht, interniert und ihr Asylantrag dort bearbeitet werden. Dafür sollen über fünf Jahre 653 Millionen Euro von Rom nach Tirana fließen; davon fließen nur 30 Millionen in den Unterhalt der zwei vorgesehen Lager, die pro Jahr bis zu 36 000 Schutzsuchende abfertigen sollen, so die italienische Regierung. Man darf sicher sein, dass dieses Modell, dessen sich die italienische Regierung rühmt, auf Interesse bei anderen G7-Staaten stoßen wird.

Und Afrika ist nicht einfach nur eine fixe Idee Melonis. Die italienische Regierung hat viel Aufwand betrieben, um sich mehr Gehör und Einfluss in Afrika zu verschaffen, einen Entwicklungsplan auf den Weg gebracht. Das Ziel: Afrika entwickeln, damit die Afrikaner da bleiben, wo sie geboren wurden. Ob Meloni verstanden hat, dass die Welt um einiges komplexer ist?

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