Mehr Wirbelstürme töten mehr Seevögel

Werden Tropenstürme häufiger, können sich Vogelpopulationen kaum erholen

  • Barbara Barkhausen
  • Lesedauer: 4 Min.
Beim Zyklon Ilsa verendete Tölpel auf Bedford Island
Beim Zyklon Ilsa verendete Tölpel auf Bedford Island

Am 13. April 2023 traf der Zyklon Ilsa, ein tropischer Wirbelsturm der Kategorie 5, auf das gerade mal 17 Hektar große Bedout Island. Die Insel vor der Küste Nordwestaustraliens ist abgelegen und wenig erforscht. Tropische Wirbelstürme sind hier keine Seltenheit – Tier und Mensch sind auf die raue Natur und das harsche Klima eingestellt. Doch der Sturm Ilsa, der mit Windgeschwindigkeiten bis zu 260 Kilometern pro Stunde auf den Norden Westaustraliens einhämmerte, traf die Populationen mehrerer Seevogelarten auf der Insel besonders hart.

Wie verheerend die Auswirkungen des Wirbelsturms auf die dort lebenden Vogelarten waren, hat eine australische Studie, die Anfang Juni im Fachmagazin »Communications Earth & Environment« veröffentlicht wurde, dokumentiert. Dabei untersuchten die Forscher unter der Leitung von Jennifer Lavers, eine außerordentliche Forschungswissenschaftlerin an der australischen Charles Sturt University, Luftaufnahmen sowie Bodenproben, die zwischen dem 17. April und dem 21. Juli, also wenige Tage nach dem Sturm und dann über einen Zeitraum von drei Monaten, gesammelt wurden. Die Forschenden analysierten dabei die prozentuale Sterblichkeit von drei Arten: dem Weißbauchtölpel (Sula leucogaster), dem Arielfregattvogel (Fregata ariel) und einer endemischen Unterart des Maskentölpels (Sula dactylatra bedouti).

Mindestens 20 000 tote Vögel

Der Sturm war – für Mensch wie für Tier – eine Ausnahmesituation, wie sich Lavers erinnert. Ihr Ehemann Andrew, der ein Ko-Autor des Fachartikels ist, habe zum Zeitpunkt des Zyklons in Port Hedland gelebt, ein Ort in der Pilbara-Region Westaustraliens, über 1600 Kilometer nördlich von Perth. Die Stadt sei dichtgemacht worden und sie beide hätten damals die Wettervorhersage keinen Moment aus den Augen gelassen, meinte Lavers. Es sei ihnen bewusst gewesen, dass beide Orte – die Stadt wie auch das vor der Küste gelegene Bedout Island – durch den Zyklon »erheblichen Schaden nehmen« würden.

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Tatsächlich sollten die Ergebnisse der anschließenden Analyse auf der Insel die Forschenden schockieren: Anhand ihrer Beobachtungen schätzen die Autoren der Studie, dass 80 bis 90 Prozent der untersuchten Vogelpopulationen – mindestens 20 000 Vögel – während des Sturms getötet wurden. Besonders betroffen waren offensichtlich erwachsene Brutvögel. Letzteres erklärt vielleicht auch die hohen Todeszahlen. Denn normalerweise könnten Seevögel »aufgrund des erheblichen Druckabfalls herannahende Stürme erkennen«, erklärte Lavers. Doch anstatt zu flüchten, blieben die Vögel vor Ort. Ein Grund dafür könnte gewesen sein, dass sie sich mitten in der Hauptbrutzeit befanden und »daher möglicherweise nur ungern ihre Eier oder ihre Küken zurücklassen wollten«. Um dies jedoch mit absoluter Sicherheit zu sagen, wären laut Lavers noch weitere Studien erforderlich.

Auch Korallenriffe leiden

Bisher zählt Australien jedes Jahr im Durchschnitt elf tropische Wirbelstürme in seiner Region. Diese haben negative Auswirkungen auf eine Reihe von Organismen – ein weiteres Beispiel sind die Korallenriffe vor der Küste im Nordwesten und Nordosten Australiens. Die Auswirkungen auf die Seevogelpopulationen war bisher jedoch nur wenig erforscht gewesen. Hier macht die Untersuchung von Lavers und ihren Kollegen nun deutlich, dass derartige Wetterextreme ein Massensterben verursachen, aber auch die Nist- und Brutmuster sowie Migrationsstrategien der Vögel stören können.

Da inzwischen bekannt ist, dass die Klimaerwärmung sowohl die Intensität als auch die Häufigkeit solch tropischer Wirbelstürme erhöht, warnen die Studienautoren explizit vor den Gefahren, denen Seevögel dadurch ausgesetzt sind. Denn da viele Seevögel normal relativ alt werden, lange Generationszeiten haben und nur sehr wenige Küken pro Jahr großziehen, können sie mit einem erheblichen Populationsverlust nicht ebenso gut umgehen wie manch andere Spezies.

Während es drei Monate nach dem Sturm beispielsweise Hinweise darauf gegeben habe, dass sich die Vegetation auf der Insel wieder zu erholen begann, habe es bei den Seevogelpopulationen nur minimale Entwicklungen gegeben, berichtete Lavers. »Deshalb ist das Wiederkehrintervall von Zyklonen so wichtig.« Mehr Stürme in kürzeren Abständen würden bedeuten, »dass Seevögel und andere Wildtiere zwischen großen Stürmen immer weniger Zeit haben, sich zu erholen«, erklärte die Forscherin. »Das sind keine guten Nachrichten.«

Populationsverluste bei Seevögeln können laut der Studie auch direkte Folgen für das Ökosystem einer Insel haben, da Seevögel mit ihrem Kot Nährstoffe vom Meer an Land transportieren.

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