Energiewende mit Folgen

Wie Klimaschutz mit weniger Materialverbrauch umgesetzt werden könnte

  • Christina Mikalo
  • Lesedauer: 5 Min.

Wenn fossile Brennstoffe durch erneuerbare Energiequellen wie Solar- und Windkraft ersetzt werden, reduziert das zwar den Verbrauch von Kohle, Öl und Erdgas. Doch natürlich kommt auch die Energiewende nicht ohne zahlreiche Rohstoffe aus. Für den Bau von Windrädern etwa werden typischerweise Stahl, Beton, Aluminium, Kupfer und Seltene Erden wie Praseodym und Neodym benötigt. In den Batterien von Elektroautos finden sich neben anderen Rohstoffen in der Regel Kobalt und Lithium.

Mit der fortschreitenden Dekarbonisierung steigt der Bedarf an diesen Materialien erheblich. Ein Forschungsteam unter der Leitung des Berliner Klimaforschungsinstituts Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) hat ermittelt, wie hoch er voraussichtlich sein wird, welche Risiken die Förderung mit sich bringt und wie sich der Materialverbrauch verringern lassen könnte. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift »Nature Climate Change« veröffentlicht.

Stark erhöhter Rohstoffbedarf

Abhängig ist der Bedarf an Rohstoffen unter anderem davon, ob sich die globale Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen lässt – ein Ziel, das viele Fachleute bezweifeln – oder es zu einer Erwärmung von 2 Grad oder mehr kommen wird. In letzterem Szenario würden sich die Folgen der Klimakrise, wie die Zahl extrem heißer Tage und der Anstieg der Meeresspiegel, deutlich verschärfen.

Sollte die Welt große Anstrengungen unternehmen, das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen, würde sie dafür mehr Materialien benötigen. So könnte etwa der Bedarf an Kupfer laut dem Forschungsteam bis 2050 um 30 Prozent steigen. Bei Eisen beziehungsweise Stahl geht das Team für denselben Zeitraum von einer Steigerung um 150 Prozent, bei Aluminium sogar um 260 Prozent aus.

Das könnte Probleme verschärfen, die die Förderung von Rohstoffen schon heute verursacht. Für jeden Rohstoff haben die Wissenschaftler*innen deshalb ein sogenanntes Risikoprofil erstellt, aus dem sich ablesen lässt, welche Folgen seine Förderung etwa für die Ressourcen, Biodiversität und Menschen vor Ort hat.

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Einer der für die Klimawende zentralen Rohstoffe ist dabei Lithium. Das Leichtmetall ist auch ein wichtiger Bestandteil der Akkus in Smartphones, Tablets und Notebooks, entsprechend hoch ist die Nachfrage nach ihm. Die weltweit größten Vorkommen von Lithium gibt es im Dreiländereck von Bolivien, Chile und Argentinien. Dort wird es meist aus unterirdischen Salzseen gewonnen. Das Wasser wird dabei nach oben gepumpt und verdunstet dann oft so lange in riesigen Becken, bis die nötige Konzentration vorliegt, um das Lithium weiterverarbeiten zu können.

Diese Abbaumethode stand in den letzten Jahren allerdings zunehmend in der Kritik. Denn durch sie sinkt der Grundwasserspiegel, wodurch es in den ohnehin sehr trockenen Regionen zu Versorgungsengpässen mit Wasser für die lokale Landwirtschaft und die überwiegend indigene Bevölkerung kommt.

Dies ist allerdings nur eine problematische Folge des Abbaus von Rohstoffen, auf die das Forschungsteam aufmerksam macht. Eine weitere ist die Zerstörung von gefährdeten Ökosystemen und der Landverbrauch. So wird zum Beispiel in Ländern wie Brasilien und Guinea der Regenwald gerodet, um an das im Boden lagernde Bauxit zu gelangen, einem Ausgangsstoff für Aluminium. Darüber hinaus kann der Abbau auch die Umwelt belasten, etwa, wenn dadurch giftige Chemikalien in die Böden und Gewässer gelangen.

Zudem sind die Arbeitsbedingungen bei der Förderung der Rohstoffe oft schlecht und meist nur von geringem wirtschaftlichen Nutzen für die lokalen Gemeinden. Hinzu kommen Abhängigkeiten zwischen Ländern und von einigen wenigen Unternehmen. Der Kongo etwa ist auf China als Abnehmer des in Minen gewonnenen Kobalts angewiesen. Und China dominiert wiederum den Markt für Kobalt und andere wichtige Rohstoffe.

Neben der oft problematischen Förderung von Materialien macht die Studie auf eine weitere Herausforderung aufmerksam: die zunehmenden Müllberge. Elektroschrott ist dabei der am schnellsten wachsende Abfallstrom. Vieles davon landet im Ausland, zum Beispiel in Ghana, und vergiftet dort die Böden, Pflanzen und das Wasser. Auch werden die Ressourcen in den ausrangierten Geräten oft nicht weiter genutzt, obwohl sie theoretisch noch recycelt werden könnten.

Vorschläge zum Material sparen

Angesichts der zahlreichen globalen Probleme bei der Materialgewinnung geben die Autor*innen der Studie eine eindeutige Prognose ab: »Dieser erwartete Anstieg der Auswirkungen steht im Widerspruch zum Schutz der biologischen Vielfalt und anderen Zielen für ein gesundes Ökosystem und wird wahrscheinlich vermehrt zu Konflikten mit der Gesetzgebung für die Lieferkette und dem Umweltschutz in den Bergbauländern sowie zum Widerstand von Nichtregierungsorganisationen und der breiten Öffentlichkeit führen.« Gegensteuern ließe sich ihnen zufolge, indem die Dekarbonisierung anders als bislang gestaltet würde, das heißt: mit geringerem Materialverbrauch.

Das Stichwort, unter dem das Forschungsteam seine Vorschläge zusammenfasst, lautet »nachfrageseitiger Klimaschutz«. Gemeint sind damit Strategien, die darauf abzielen, den Ausstoß von Treibhausgasen und den Energieverbrauch der Verbraucher*innen zu senken. Das könne etwa durch Verhaltensänderungen, kohlenstoffarme Infrastrukturen, einer ressourceneffizienten Herstellung von Materialien und Ansätzen aus der Kreislaufwirtschaft erreicht werden, mit denen verarbeitete Rohstoffe ein »zweites Leben« bekommen.

Als konkrete Ansätze nennen die Forscher*innen die Nutzung von gepoolter Mobilität wie Carsharing anstelle von Privatautos. Im Gebäudesektor könnte Raum effizienter als bislang genutzt werden, indem der Pro-Kopf-Verbrauch von Fläche gesenkt, Altbauten modernisiert und mehr natürliche Baustoffe eingesetzt würden. Eine eher pflanzenbasierte Ernährung wäre für Verbraucher*innen nicht nur gesund, sondern könnte auch den Flächenverbrauch für die Viehhaltung verringern, so das Team weiter.

Pilotprojekte haben zudem gezeigt, dass zum Beispiel die ausrangierten Batterien von E-Autos noch lange nicht auf dem Müll landen müssen. So können mehrere Alt-Akkus zusammengeschlossen noch mehrere Jahre als Speicher für erneuerbare Energien dienen – und so von doppeltem Nutzen für die Klimawende sein.

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