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Alan Vega: Vagabund der Popmusik
Mit »Insurrection« erschien kürzlich das bereits dritte Album aus dem Nachlass von Alan Vega
Vor mittlerweile acht Jahren starb Alan Vega, Gründungsmitglied des legendären New Yorker No-Wave-Duos Suicide. Bis heute klingen seine romantisch dahingehauchten Zeilen »Dream Baby Dream« aus dem gleichnamigen Song aus dem Jahr 1977 in den Ohren Tausender Frischverliebter. Ja, Vega konnte durchaus ein Romantiker sein. Doch zuvorderst war er ein Nihilist. Mit seinem kongenialen Duo-Partner Martin Rev dekonstruierte er Punk in einer Zeit, in der dieser sich gerade erst herauszubilden begann.
Mit Suicide nahm Vega zwischen 1977 und 2002 insgesamt fünf Alben auf, von denen vor allem das selbstbetitelte Debüt sowie das drei Jahre später veröffentlichte »The Second Album« heute Kultstatus besitzen. Was viele nicht wissen: Er war auch als Solomusiker tätig und dabei sogar überaus umtriebig. 15 Alben veröffentlichte Vega zu Lebzeiten. Stets auf der Suche nach adäquaten Ausdrucksmitteln, wurde er zum Vagabunden der Popmusik: Ruhelos durchquerte er das Koordinatensystem moderner Sounds, verband seine in frühen Jugendzeiten entwickelte Liebe zu Elvis Presley mit Minimal Techno, No Wave mit New Wave, Industrial Patterns mit akustischen Klängen. Hauptsache, es trieb ihn dorthin, wo er noch nicht gewesen war.
Wer glaubte, der Tod habe Vegas Schaffensdrang natürliche Grenzen gesetzt, hat sich getäuscht: Nach dem 2017 veröffentlichten »It« sowie dem vier Jahre darauf folgenden »Mutator« ist mit »Insurrection« kürzlich das bereits dritte Album aus Vegas Nachlass erschienen. Federführend bei allen drei Veröffentlichungen war die Künstlerin und Witwe Vegas, Liz Lamere, die zu Lebzeiten eng mit ihrem Ehemann zusammenarbeitete und seit seinem Tod dessen Nachlass verwaltet.
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Bereits »Mutator« zeigte Vega von seiner düsteren, abgründigen Seite. »Insurrection« setzt dem Ganzen noch einen drauf: Das Album klingt über weite Strecken so, als habe man The Birthday Party – jene legendäre Noise-Rock-Combo um den jungen Nick Cave – im Jahr 1982 im Probenraum der Elektronik-Pioniere von Kraftwerk eingeschlossen. Bereits im Opener »Sewer« klirren die Maschinen kühl, während Vega verzweifelt dagegen ansingt, als befände er sich tatsächlich in einem Sewer – also einem Abwasserkanal.
Anders etwa als seine Soloalben der frühen und mittleren 80er Jahre wirken die Stücke auf »Insurrection« weniger klassisch auskomponiert als vielmehr wie eine soundtechnische Spielweise. Der zweite Song »Invasion« ist mit einer halbwegs melodiösen Synthesizer Line, die sich durch den ganzen Song zieht, die große Ausnahme. Insgesamt dominieren in Stücken wie »Crash«, »Cyanide Soul« oder »Murder One« mörderisch verzerrte, elektronisch generierte Drumbeats, über denen Vega sein geradezu faszinierend vielfältiges Stimmorgan ausbreitet: mal wimmernd, mal schreiend, mal anklagend, mal lustlos, mal überlegt.
Es bleibt abzuwarten, ob »Insurrection« retrospektiv als künstlerische Großtat Vegas eingeordnet werden wird. Klar ist aber bereits jetzt, dass mit der Veröffentlichung – anders als bei so manch anderer Nachlassverwaltung – keine Leichenfledderei, keine kommerzielle Ausschlachtung betrieben wurde. Im Gegenteil: Die elf Stücke des Albums sind große Soundkunst.
Alan Vega: »Insurrection« (In the Red)
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